Alter Held mit neuem Gesicht
Alden Ehrenreich ist nicht Harrison Ford – und das ist gut so. Wenn er in der Vorgeschichte nun den legendären Han mimt, ist das ein spaßiger Weltraum-Western
„Vorname?“fragt die Zollbeamtin am Raumflughafen. „Han“antwortet der Ausreisewillige. „Nachname?“Der junge Mann zuckt mit den Schultern. Er habe keine Familie, darum auch keinen Familiennamen. Die Uniformierte hinter Glas mustert ihn skeptisch und sagt: „Ich trage einfach ‚Solo‘ ein. Ohne Nachnamen geht es nicht.“Und so wird die Taufe einer der beliebtesten Figuren der jüngeren Popkultur nicht irgendwelchen nebulösen Vermächtnissen, sondern einer spontanen Eingebung der Grenzbürokratie zugeschrieben.
Han Solo, der berühmteste Schmuggler der weit, weit entfernten Galaxie, bekommt nun in „Solo – A Star Wars Story“sein eigenes Biopic. In den Fan-Portalen hat es im Vorfeld der Produktion kräftig rumort. Ein Han-Solo-Film ohne Harrison Ford? Unmöglich! Dann wurden die beiden Regisseure Christopher Miller und Phil Lord („The Lego Movie“) wegen kreativer Differenzen vom Auftraggeber Disney gefeuert und durch den Veteranen Ron Howard ersetzt.
Aber vielleicht passte sich hier die Produktionsgeschichte dieses SpinOffs aus dem Star-Wars-Universum auch nur ihrem Sujet an. Denn Han Solo war schon immer eine Figur, die erst zu großer Form aufläuft, wenn sie sich allen Widrigkeiten ausgesetzt sieht. Je unüberwindlicher die Hindernisse, desto größer der Spaß: Das war schon immer Han Solos Devise, bevor er sich mit dem einwangigen Lächeln von Harrison Ford ins Kampfgetümmel stürzte.
Spaß macht dieser „Solo“-Film, weil er sich selbst nicht so bierernst nimmt und sich auf die NostalgieBedürfnisse der Fans einlässt. Während Luke Skywalker in der StarWars-Erzählung mit üppigem familiären Hintergrund und einem legendären Vater-Sohn-Konflikt ausgestattet wurde, war Han Solo mit einer quasi geschichtslosen Präsenz einfach immer nur da.
Daran ändert sich durch den Ausflug in die jungen Heldenjahre mit diesem Film nur wenig. Han ist einfach ein Waise, der sich auf dem Planeten Corellia als gewiefter Auftragsdieb durchschlägt. Er träumt davon, mit seiner Jugendfreundin Qi’ra (Emilia Clarke) der Sklavenexistenz zu entfliehen und Pilot zu werden. Aber beim illegalen Grenzübertritt schließen sich im Tumult die Pforten hinter ihm und die Geliebte muss zurückbleiben. Er schwört zu ihr zurückzukehren, aber nachdem er drei Jahre später wegen Ungehorsams von der Pilotenschule geflogen ist und als Infanterist in die Kriege des Imperiums ziehen muss, ist er seinem Ziel keinen Schritt näher gekommen. Auf dem Schlachtfeld trifft er auf eine als Soldaten getarn- te Diebesbande um Tobias Beckett (Woody Harrelsen), die den Deserteur widerwillig aufnimmt und für den gefährlichen Gangsterboss Dryden Vos (Paul Bettany) einen ganzen Zug mit hochexplosivem Treibstoff überfallen soll…
Wäre „Solo“kein Science-Fiction-Film, würde er sicherlich auch als Western durchgehen. Regisseur Ron Howard („Rush“/„Illuminati“) zeigt sich als Nostalgiker, der seine Figuren aus der Zukunft durch die nur leicht verfremdeten Kulissen des uramerikanischen Genres wandeln lässt. Ausgeklügelte Action-Choreografien auf rasenden Güterzügen, Wüstenlandschaften, durch die die Diebesbande so cool wie einst „Die glorreichen Sieben“schlendert, bis hin zu Alden Ehrenreich, der seine Waffe in einem lässig baumelnden Hüftgurt trägt.
So wie Han selbst ist auch „Solo“: eine angenehm geradlinige Angelegenheit. Keine aufgesetzten Subtext-Konzepte, kein esoterisches Gebrummel über die Kraft der „Macht“und vor allem nicht schon wieder ein Todesstern. Stattdessen starke Action, ein Bösewicht mit Sex-Appeal (im Star-Wars-Universum eher eine Seltenheit) und auch eine gute Portion Liebe. Dazu gehört nicht nur des Titelhelden wechselhafte Liaison mit der undurchsichtigen Geliebten, sondern vor allem die Entwicklungsgeschichte der unkaputtbarsten Freundschaft der Filmgeschichte zwischen Han Solo und dem Zottelriesen Chewbacca
(Porträt, siehe Panorama-Seite). Natürlich ist Alden Ehrenreich („Hail, Caesar“/„Blue Jasmine“) nicht Harrison Ford – und das ist gut so. Statt sich auf dem Feld der Ikonen-Imitation zu versuchen, gelingt es ihm, die Essenz der Figur herauszufiltern und mit nassforscher Jugendlichkeit zu unterlegen.