Warum das Asyl-Schlupfloch Seehofer verschlucken könnte
Ausgerechnet der Innenminister gerät in der Flüchtlingspolitik in die Defensive. Doch als konsequenter Aufklärer von Skandalen hat er sich bereits bewährt
Es hat schon etwas von verkehrter Welt: Da hat Horst Seehofer, als er bayerischer Ministerpräsident war, die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel heftigst kritisiert, sogar von einer „Herrschaft des Unrechts“sprach der CSU-Chef. Inzwischen ist er Bundesinnenminister unter Merkel und muss sich qua Amt mit den haarsträubenden Vorgängen in der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration herumschlagen. Die Opposition kritisiert Seehofer massiv, sogar der Koalitionspartner SPD wirft ihm mangelnden Aufklärungswillen vor.
Sicher ist: Die Affäre in Bremen ist höchst brisant für Seehofer. Nach allem, was in den vergangenen Wochen bekannt geworden ist, hat dort tatsächlich lange Zeit Unrecht geherrscht. Flüchtlinge, von rund 1200 ist im Moment die Rede, sollen Asyl erhalten haben, ohne dass die Voraussetzungen dafür erfüllt waren. Während die Staatsanwaltschaft weiter ermittelt, ist die Affäre längst zur Gefahr für den sozialen Frieden im Land geworden – Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten, die Zuwanderung insgesamt ablehnen.
Horst Seehoher, der mit dem Versprechen angetreten ist, für Ordnung im Asylwesen zu sorgen, ist jetzt als Aufklärer gefragt – wieder einmal und vielleicht mehr denn je. Schon in seinen beiden früheren Ministerzeiten hatte er es mit gewaltigen Skandalen zu tun – und er räumte jeweils beherzt auf. Als Bundesgesundheitsminister schreckte er in der schrecklichen Affäre um HIV-verseuchte Blutkonserven nicht davor zurück, das gesamte Bundesgesundheitsamt aufzulösen. Und auch als Bundeslandwirtschaftsminister griff er konsequent durch, als ein GammelfleischSkandal das Vertrauen der Bundesbürger erschütterte.
Der Bamf-Skandal um das mutmaßliche Bremer Asyl-Schlupfloch, den Seehofer von seinem Vorgänger Thomas de Maizière geerbt hat, wirft brisante Fragen auf: Wie konnte es offenbar über einen langen Zeitraum zu fehlerhaften Entscheidungen kommen? Haben Kontrollinstanzen versagt, sind sie überhaupt ausreichend? Gibt es strukturelle Mängel im gesamten BamfSystem? Und auch die Frage, wer wann in Bamf und Innenministerium wen informiert hat, bedarf der Aufklärung. Ebenso gefährlich für das Vertrauen der Bürger in die Behörden ist der in den vergangenen Wochen entstandene Eindruck, dass die zeitweilige Bremer Bamf-Chefin Josefa Schmid kaltgestellt wurde, weil ihr Aufklärungseifer der Zentrale in Nürnberg zu weit ging.
Der Aufklärungsbedarf ist gewaltig. Und es gibt kaum einen Zweifel, dass Seehofer dies verstanden hat. Der Bundesinnenminister wird sehr schnell Antworten auf die offenen Fragen liefern und entsprechende Konsequenzen ziehen müssen. Sonst droht der von der FDP geforderte, langwierige Untersuchungsausschuss, den dann gerade die AfD zur Generalabrechnung mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nutzen könnte.
Bamf-Chefin Jutta Cordt darf sich der Rückendeckung Seehofers zwar nicht allzu sicher sein. Es sollte in der Bamf-Affäre aber auch nicht nach dem bekannten Motto „Verantwortlicher identifiziert, gefeuert, Thema erledigt“gehen. Seehofer verfügt über genügend Krisenerfahrung, den Skandal nicht nur anständig zu bewältigen, sondern sogar gestärkt aus ihm hervorzugehen. Was in Bremen geschehen ist, bietet ihm die Chance, die vermeintlichen Missstände, die er selbst so vehement kritisiert hat, wirklich schonungslos aufzuarbeiten. Um am Ende dieses Prozesses eines jener Kernversprechen einzulösen, mit denen er angetreten ist: dafür zu sorgen, dass Asyl-Entscheidungen in Deutschland nach einheitlichen, rechtsstaatlichen und jederzeit überprüfbaren Standards getroffen werden.
Er muss jetzt schnell Konsequenzen ziehen