Orgeln für die ganze Welt
Norbert Bender ist Orgelbaumeister. Die Instrumente können bis zu fünf Tonnen wiegen
Insgesamt 5000 Orgeln gibt es in ganz Deutschland, aber nur noch wenige Orgelbauer. Wir stellen einen Dillinger Meister mit Leidenschaft vor.
Dillingen Als Geschäftsführer einer Firma gilt es, den Überblick zu bewahren. Über Personal, Finanzen oder Auftragslage. Norbert Bender hat also viel zu tun – kümmern sich doch deutschlandweit nur 180 Orgelbauer um etwa 5000 Orgeln. Seine Firma, Orgelbau Sandtner, ist eine davon. Dazu kommt ein Wust von bürokratischen Auflagen, ehe ein Auftrag gesichert ist. Dennoch führt ihn sein Weg regelmäßig aus seinem mit Aktenordnern übervollen Büro hinüber in die an das Haus angeschlossene Werkhalle. Dort lagern nicht nur Orgelrohre und -köpfe, sondern auch dicke, dünne und ganz feine Hölzer. „Eine Orgel besteht zum Großteil aus Holz, lediglich die Pfeifen sind eine ZinnBlei-Legierung“, erzählt Bender. Diese sei stabil, gut bearbeitbar und biete hervorragende Klangeigenschaften. Heutzutage sei der Orgelbau in Deutschland einheitlich, viele Firmen setzten auf CNC-Maschinen und andere moderne Gerätschaften. „Ich bewundere die große körperlich-handwerkliche Leistung früherer Generationen“, führt der 51-Jährige aus, während er den Besucher tiefer in das Gebäude hineinführt.
So seien Orgeln bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von Region zu Region unterschiedlich gebaut worden. Jeder Orgelbaumeister habe seinen eigenen Stil eingebracht, erzählt Bender. Seit der Jahrhundertwende ist das einheitlicher geworden. Hinzu kommt der Wegfall des Meisterzwangs vor einigen Jahren, der das Orgelhandwerk betraf. „Ich halte es für Quatsch, im Orgelbau keinen Meisterzwang zu führen“, sagt Bender. Denn diese Betriebe bilden nicht mehr aus. Der Neubau von Orgeln sei hochkomplex, weswegen es ohne Fortbildungen zum Meister nicht ginge.
Schließlich führt Bender seinen Gast in das Herzstück der Fertigung. CNC-Maschinen arbeiten, an Pinnwänden prangen mit feinem Strich geführte Konstruktionszeichnungen, und im hinteren Teil steht eine halb fertige Orgel ohne Gewand. Es sei ein kleines Instrument. Derzeit wird laut Bender an mehreren gearbeitet. Die Firma baut Orgeln in allen Größen – zum Beispiel das große Instrument in der Dillinger Basilika St. Peter, errichtet 1978 und 2006 überarbeitet und vergrößert. Eine mittelgroße kann schon einmal vier bis fünf Tonnen wiegen.
Benders Firma ist weltweit bekannt, Aufträge führen ihn und seine Mitarbeiter bis nach Südkorea; in Norwegen sind sie regelmäßig. Ein Job also, der nicht nur viel Können abverlangt, sondern auch viel Zeit erfordert. Regelmäßig seien Mitarbeiter auf Wartungseinsätzen in der Republik unterwegs – oder eben im Ausland. Dass vielen da die Freizeit und Familie zu kurz kommen, kann Bender verstehen. „Bei uns lernt man viel im Holz- und Metallbereich. Etliche wechseln nach einer gewissen Zeit in eine andere Branche“, bedauert Bender. Denn gute Mitarbeiter sind rar gesät, eine Fachkraft könne er dringend gebrauchen. Derzeit sei er oft von Montag bis Sonntag mit der Firma beschäftigt; sein Beruf ist auch Leidenschaft. So geht es den meisten seiner zehn Mitarbeiter.
Als junger Mann besuchte Bender ein musisches Gymnasium in Amberg, wollte anschließend Flöte studieren. Im Chor verschoben sich seine Interessen, 1986 begann er seine Lehre bei Orgel Sandtner. 1996 absolvierte er seinen Meister und 2006 die Prüfung zum Restaurator. Als ihm diese regelmäßige Taktung auffällt, muss der meist ernst dreinblickende Mann lachen. Das sei keine Absicht gewesen. Seit 2017 firmiert der Betrieb als GmbH & Co. KG, mit Bender als alleinigem Geschäftsführer.
Seine Tochter hat nach dem Abitur eine Ausbildung im heimischen Betrieb begonnen, sie teilt die Leidenschaft für die Orgel mit ihrem Vater. Neben ihr arbeiten zwei weitere Azubis in der Firma. Trotz verschiedener Schulabschlüsse eint die drei die Passion für die Orgel. Sie lernen blockweise in der Berufsschule in Ludwigsburg, wo sich ebenfalls die Meisterschule befindet.
„Wir stehen im Spannungsfeld zwischen Funktionalität und dem Bedürfnis, Altes ursprünglich zu erhalten.“Meist sei das eine reizvolle Angelegenheit. Moderne Geräte spielen bei der Arbeit eine große Rolle, Digitales weniger. Mit Projektionen und Tablet arbeite man zwar des Öfteren, auch Fotomontagen gebe es, am wichtigsten sei dennoch das Handwerkliche. Und die Begeisterung für das alte Instrument, das aus der heimischen Kultur nicht wegzudenken ist.