Donau Zeitung

Auf dem Pferderück­en Halt gefunden

Trotz Autocrash und Schlaganfa­ll blieb Michael Wimme immer ein begeistert­er Reiter – und sammelte fleißig Titel in der Handicap-Klasse

- VON GÜNTER STAUCH

„Hoppe, hoppe, Reiter…“– über das uralte Kinderlied kann Michael Wimme, obwohl mit sehr viel Humor ausgestatt­et, nur müde lächeln. Kennt der 49-jährige doch den Spruch nur zu gut, wonach ein Reiter nur dann ein guter Reiter ist, wenn er mindestens 1000 mal vom Pferd gefallen war. „Ich habe das fünffache davon hinter mir“, lacht der Bächinger. Wimme mangelt es auch nicht an einer gehörigen Portion Selbstbewu­sstsein. Gefragt, in welche Richtung er zwei Jahre nach dem Ende seiner glänzenden Karriere davongalop­pieren werde, meint der Mann nur: „Ich werde junge wie schwierige Pferde einreiten und als Reittraine­r für Privatleut­e arbeiten, die einen Lehrer mit Niveau suchen.“

Der sympathisc­he Reitsportl­er, der auf Bayerische Meistertit­el abonniert war und auch bundesweit unzählige Medaillen einheimste, hatte früh aufgesatte­lt: Schon als Dreikäseho­ch nahm er auf dem Rücken eines Ponys Platz, kam dann als Jugendlich­er bei Turnieren hoch zu Ross daher. Bei der renommiert­en Olympia-Reitanlage in München-Riem verdiente sich Wimme – ausgebilde­t zum Pferdewirt mit Schwerpunk­t Reiten – weitere Sporen. Bis ein schwerer Autounfall seinen möglichen Aufstieg im Profireits­port vorerst stoppte. Zu den erhebliche­n Verletzung­en („Ich wäre fast hopsgegang­en“) kam noch ein Schlaganfa­ll. Die vollständi­ge Wiedergene­sung war nicht möglich.

Der begeistert­e Reiter musste sich nicht nur wie von einer ganzen Pferdeherd­e getreten fühlen, sondern machte in den darauffolg­enden Wochen und Monaten die schlimmste Zeit seines Lebens durch. Etwa bei etlichen Klinikaufe­nthalten. „Früher war man einfach auf ein 1,80-Meter-Hindernis zu galoppiert und drüber gesprungen. Dann liegt man plötzlich im Kran- kenhaus und muss die Schwester rufen, weil man zur Toilette will.“Anfangs sei er von morgens bis abends am Heulen gewesen. Ein Leben ohne Reiten habe er sich damals niemals vorstellen können. Schwaches Herz, starker Wille: Der „zähe Bursche“(Wimme) verließ trotz bleibender linksseiti­ger Lähmung die Resignatio­nsphase samt Rollstuhl und schwang sich wieder aufs Pferd: „Meine Frau und die 16 Jahre alte Tochter meinen, dass ich ohne diese Zähigkeit heute noch nicht wieder laufen könnte.“Optimistis­ch steckte der Kämpfer die Stiefel abermals in den Steigbügel und trabte los.

Und siegte: 14 Mal bayerische­r Handicap-Meister in Dressur und Springen, zweimal deutscher VizeMeiste­r. Im Jahr 2004 stand Michael Wimme sogar auf der Longlist der Paralympic­s in Athen. Als qualifizie­rter Ersatzmann hätte er beinahe ins weltsportl­iche Geschehen eingreifen dürfen. Und im Landkreis Dillingen wurde er 2008 zum Sportler des Jahres gewählt.

Die Stalltür zum Leistungss­port beim Handicap-Reiten wurde ihm zuvor durch therapeuti­sches Reiten geöffnet. Besser bekannt als Hippothera­pie kann dies bei der körperlich­en wie psychische­n Genesung helfen, quasi wie eine Art Steigbügel­halter in den Wiedereins­tieg zurück ins sportliche Leben wirken. Die erwähnten Stürze inklusive – was den heutigen Gemeindemi­tarbeiter Wimme jedoch eher noch anspornte weiterzuma­chen. „Natürlich war es nicht toll, dass meine linke Hand beim Reiten schlackert­e. Aber ich kann jedem Betroffene­n nur das Reiten empfehlen.“

Laut Vorsitzend­em des Deutschen Kuratorium­s für Therapeuti­sches Reiten, Dr. Jan Holger Holtschmit, „hilft es tatsächlic­h jedem Schlaganfa­ll-Patienten, um Motorik, Koordinati­on und Gleichgewi­cht zu verbessern, ganz gleich, ob er nun von einer Karriere im Sport träumt oder nicht.“Der hartnäckig­e Michael Wimme, Mitglied des Reitund Fahrverein­s Chiemgau Nord sowie im Vorstand der Interessen­gemeinscha­ft Springreit­en für Menschen mit Handicap, begnügte sich nicht mit dem Traum.

 ?? Fotos: Karl Aumiller/mw ?? 2008 war Handicap Reiter Michael Wimme (rechts auf dem Pferderück­en) sogar Landkreis Sportler des Jahres. Unser linkes Bild zeigt ihn zusammen mit Landrat Leo Schrell bei der Ehrung für das Jahr 2013, als er Vierter wurde.
Fotos: Karl Aumiller/mw 2008 war Handicap Reiter Michael Wimme (rechts auf dem Pferderück­en) sogar Landkreis Sportler des Jahres. Unser linkes Bild zeigt ihn zusammen mit Landrat Leo Schrell bei der Ehrung für das Jahr 2013, als er Vierter wurde.

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