„Die Deutschen sparen zu wenig“
Grundstücke in Erbpacht, eine Bodensteuer für ungenutzte Flächen, mehr Geld vom Staat: Der Bauspar-Experte Andreas J. Zehnder über Wege aus der Wohnbau-Krise
Herr Zehnder, die Baupreise sind explodiert, die Zinsen steigen langsam wieder. Kann eine junge Familie in Deutschland sich heute überhaupt noch ein Eigenheim leisten?
Andreas J. Zehnder: Das wird immer schwieriger. Einerseits fehlt es häufig am Eigenkapital, weil die Menschen weniger sparen, auf der anderen Seite aber sind auch die Nebenkosten für den Bau oder den Kauf einer Immobilie im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch. Je nach Bundesland addieren sich die Ausgaben für Makler, Notar und Grunderwerbsteuer inzwischen auf 20 bis 25 Prozent des Kaufpreises. Grob gesagt haben sich in den letzten zehn Jahren die Kaufpreise verdoppelt, während die Kaufkraft der Menschen konstant geblieben ist.
Die Bundesregierung und die bayerische Landesregierung wollen Familien nun mit einem Baukindergeld unter die Arme greifen. Ein richtiger Ansatz? Zehnder: Nachdem sich der Staat in den vergangenen Jahren immer weiter aus der Wohnungsbauförderung zurückgezogen hat, ist das sicher ein richtiger Schritt, dem nun aber andere schnell folgen müssten, dazu gehört auch die Erhöhung der Wohnungsbauprämie. Die beiden größten Probleme sind allerdings auch damit noch nicht gelöst: Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die alleine die deutschen Sparer in den vergangenen zehn Jahren fast 200 Milliarden Euro an Zinseinnahmen gekostet hat, und die dramatischen Engpässe beim Bauland.
Mal ehrlich: Würden Sie heute ein Grundstück verkaufen, wenn Sie für den Erlös bei Ihrer Bank anschließend Zinsen von 0,1 Prozent und weniger bekommen?
Zehnder: Es gibt eine Alternative zum Verkauf. Wenn eine Kommune Grundstücke zur Bebauung in Erbpacht freigibt, bleibt sie Eigentümer und hat über Jahrzehnte einen warmen Regen an kontinuierlichen Einnahmen. Andere Länder, zum Beispiel die Niederlande oder Dänemark, haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Bei uns dagegen bewegt sich der Anteil der Grundstücke, die im Erbbaurecht vergeben werden, bisher im Promillebereich.
Wenn Eigentum verpflichtet, wie es im Grundgesetz heißt: Was halten Sie dann von einer Art Strafsteuer für die Eigentümer von unbebauten Grundstücken in Ballungsräumen?
Zehnder: Eine solche Bodensteuer könnte eine Möglichkeit sein, mäßigend auf den Markt einzuwirken. Franz Josef Strauß hat schon 1970 gesagt, die Grundstückspreise seien in einem Maße gestiegen, dass es nicht zu verantworten sei, die Gewinne unversteuert in die Taschen weniger fließen zu lassen. Drei Jahre vorher hatte das Bundesverfassungsgericht bereits ähnlich argumentiert. Ich zitiere: „Die Tatsache, dass Grund und Boden unvermehrbar ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen.“ Über Jahrzehnte waren Bausparverträge ein selbstverständlicher Teil der Baufinanzierung. Soll die Wohnungsbauprämie steigen, damit Ihnen das Geschäft in Zeiten niedriger Zinsen nicht wegbricht?
Zehnder: Die Hauptaufgabe der Bausparkassen ist es nicht, die Wohnungsbauprämie für ihre Kunden zu verwalten, sondern den mittleren und unteren Einkommensbeziehern zu Wohneigentum zu verhelfen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss das eigene Heim bezahlbar bleiben. Da der Bund die Einkommensgrenzen nicht angepasst hat, fallen inzwischen immer mehr Menschen aus der Förderung. Eine Krankenschwester im zweiten Berufsjahr, zum Beispiel, verdient heute schon zu viel, um noch in den Genuss der Prämie zu kommen. Wir fordern deshalb eine Erhöhung der Einkommensgrenzen von 25 000 Euro brutto auf 35 000 Euro im Jahr. Im Moment sparen nur noch 37 Prozent der Bundesbürger für die Anschaffung einer Immobilie – so wenige wie noch nie seit Beginn dieser Umfragereihe vor 20 Jahren. Ohne zweckgerichtetes Sparen aber bleiben die eigenen vier Wände für Normalverdiener ein Traum.
In anderen Ländern leben deutlich mehr Menschen in ihren eigenen Immobilien. Woran liegt das?
Zehnder: Das hat viele Gründe. Die Position der Mieter etwa ist bei uns im Vergleich zu anderen Ländern besser. Dazu kommen die hohen Nebenkosten und die vielen Auflagen, beispielsweise im energetischen Bereich, die das Bauen immer teurer machen. In Zahlen ausgedrückt: Bei uns wohnen etwa 43 Prozent der Menschen in den eigenen Wänden, in Großbritannien sind es 68 Prozent, in Spanien sogar 82 Prozent und im europäischen Durchschnitt etwas mehr als 60 Prozent. Umso befremdlicher ist es, dass Union und SPD ihren Wohnungsbaugipfel erst im Herbst abhalten wollen. Das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum ist eines der drängendsten sozialen Probleme, und deshalb brauchen wir ein Wohnungsbau-Sofortprogramm aus einem Guss. Andreas J. Zehnder, 65, ist der Präsident der In ternationalen Bausparkas senunion. Bis Ende Mai stand der Augsburger auch an der Spitze des Ver bandes der Privaten Bausparkassen.