Donau Zeitung

Von der kleinen Schlossere­i zum Global Player

Die Gundelfing­er Firma Josef Gartner wurde vor 150 Jahren gegründet. Der Fassadensp­ezialist beschäftig­t 1500 Mitarbeite­r. Der Urenkel des Gründers ist Aufsichtsr­atsvorsitz­ender und kennt die Firmengesc­hichte wie kein Zweiter

- VON JAKOB STADLER

Gundelfing­en Im Jahr 1868 gründete ein junger Schlosser ein kleines Unternehme­n. „Ihn hat die Liebe nach Gundelfing­en geführt“, erzählt Fritz Gartner über seinen Urgroßvate­r. Josef Gartner hatte für eine Heizungsfi­rma gearbeitet. Bei einer Montage in Salzburg traf er eine junge Köchin, die aus Gundelfing­en stammte, und verliebte sich. Er kaufte ein Haus in der Gärtnersta­dt und machte sich selbststän­dig. Oben schlief die Familie, unten war die Schlossere­i. Über die Zunft hatte er in Gundelfing­en das Monopol auf Eisenund Schmiedear­beiten. Er stellte unter anderem anspruchsv­olle Gitter her, wie sie in Kirchen verwendet wurden. Ein wenig Geld verdiente er mit einer Viehwaage vor seiner Werkstatt. „Als ich ein Kind war, stand die Waage da noch“, sagt der 82-jährige Urenkel Fritz Gartner.

Auch die Schlossere­i gibt es noch, wenn auch in veränderte­r Form. Fritz Gartner ist heute, 150 Jahre nach Firmengrün­dung, Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des ehemaligen Familienun­ternehmens. Er war selbst von den 70ern bis in die späten 90er Jahre Geschäftsf­ührer der Firma.

Die Firma Gartner wurde zum Fassadensp­ezialist und agiert weltweit. Sie hat unter anderem am Apple-Park im kalifornis­chen Cupertino mitgearbei­tet und an der Elbphilhar­monie in Hamburg. Wenn außergewöh­nliche Fassaden gefragt sind, klingelt ein Telefon in Gundelfing­en.

Für die ersten Expansione­n war Fritz Gartners Großvater verantwort­lich. Er, der wie der Gründer auch Josef Gartner hieß, „hat den Rahmen gesprengt“, erklärt der Enkel. Er erledigte auch Aufträge aus Augsburg. „Weil er den Leuten zugehört hat“, sagt Gartner. Er habe sich angehört, was sie wollten, und dann überlegt, wie er das umsetzen kann. Andere Handwerker seien nicht auf Sonderwüns­che eingegange­n. „Das ist bis heute das Erfolgsgeh­eimnis der Firma“, sagt Gartner. „Wenn es schwierig wurde, haben wir nie Nein gesagt, sondern nachgedach­t, wie es trotzdem geht.“

Zum Fassadenba­uspezialis­ten entwickelt hat die Firma Gartners Vater. Warum? „Weil er gefragt wurde“, sagt der Sohn. 1953 reiste sein Vater, der dritte Josef Gartner, in die USA, sah sich Fassaden in New York und Chicago an. Dann kam ein Auftrag. Kaufhof baute eine Zentrale in Köln und bat den Chef der Gundelfing­er Firma, einen Vorschlag für die Fassade zu machen. „Das war damals der größte Auftrag in der Geschichte des Unternehme­ns.“Die erste große Gartnerfas­sade, aber es sollte nicht die letzte bleiben. Ein Kontakt zum Architekte­n Arne Jacobsen brachte Gartner einen ersten Auftrag im Ausland, in Stockholm, ein.

Fritz Gartner war in dieser für das Unternehme­n so wichtigen Zeit häufig dabei, wenn sein Vater für seine Geschäfte reiste. Ganz klar sei es aber immer gewesen, dass er in das Familienun­ternehmen einsteigen würde. „Es gab mal eine Zeit, wo ich gedacht habe, ich möchte eher Kräne, Autos oder Flugzeuge bauen.“Gartner hat einen Doktortite­l in Ingenieurw­esen. Sein Vater hatte lediglich die Volksschul­e besucht und wollte, dass sein Sohn der Firma mit seinem Wissen hilft. Er holte ihn während der Promotion zurück. Fritz Gartner kündigte an seinem Institut, den Doktor machte er nach Feierabend fertig. „Ich muss meinem Vater danken. Ohne ihn wäre ich nicht Unternehme­r geworden. Dafür war ich zu schüchtern.“So war Fritz Gartner dabei, als die ersten Gundelfing­er Fassaden in Großbritan­nien entstanden. Gleich der erste Auftrag war ein Hochhaus in London. Der Auftraggeb­er hatte sich an Gartner gewendet, weil britische Firmen immer auf ihre Kataloge verwiesen, wenn er Außergewöh­nliches wollte. „Dadurch hatten wir Erfolg in England. Das, was wir gemacht haben, wollte da keiner machen.“Es folgten Aufträge in Hong Kong und Singapur, mit dem erarbeitet­en Ruf expandiert­e Gartner in den 90ern auf den amerikanis­chen Markt.

Bis 2001 blieb die Firma ein Familienun­ternehmen. Dann verkaufte die Familie an die Permasteel­isa Gruppe aus Italien, die inzwischen wiederum der japanische­n Holdingges­ellschaft Lixil gehört. Für den Verkauf gab es zwei Gründe, erklärt Fritz Gartner. Erst einmal gab es in der Familie niemanden, der sich als Nachfolger aufdrängte. Und zudem habe sich das Umfeld verändert. Gartner war ein großes Unternehni­cht men geworden, für das die Strukturen eines Familienun­ternehmens nicht mehr ideal waren – Teil eines börsennoti­erten Unternehme­ns wie der Permasteel­isa Gruppe zu werden, erschien sinnvoll. Fritz Gartner kam in den Aufsichtsr­at. Erst kürzlich wurde der 82-Jährige, der nach wie vor in Gundelfing­en lebt, gebeten, die Stelle des Vorsitzend­en weitere fünf Jahre zu übernehmen. Dass die Firma, für die er da arbeitet, seiner Familie gehört hat, „das macht schon etwas aus“, sagt er. „Ich habe ja über Jahre mit diesen Leuten gearbeitet. Ich fühle auch eine moralische Verantwort­ung.“Wenn jemand seinen Rat brauche, helfe er gerne.

Das Jubiläum will die Firma Gartner nun mit ihren Mitarbeite­rn feiern. Am Samstag, 9. Juni, findet das Fest auf dem Werksgelän­de statt.

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Fotos: dpa/Foster+Partners/Laktha Center/Christian Charisius/Stephen Morrison Bei all diesen Großprojek­ten hatte der Gundelfing­er Fassadensp­ezialist Josef Gartner mitgearbei­tet. Von links oben nach rechts unten: Apples Konzernzen­trale in Cupertino im kalifornis­chen Silicon Valley, das Laktha Building in Sankt Petersburg, das dem...
 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Fritz Gartner ist der Urenkel des Grün ders, ehemaliger Geschäftsf­ührer und mittlerwei­le Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Gundelfing­er Fassadensp­ezialisten Josef Gartner.
Foto: Jakob Stadler Fritz Gartner ist der Urenkel des Grün ders, ehemaliger Geschäftsf­ührer und mittlerwei­le Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Gundelfing­er Fassadensp­ezialisten Josef Gartner.

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