Damit es wieder mehr brummt
Künftig kümmern sich 50 Spezialisten im Bayerischen Artenschutzzentrum um gefährdete Tiere und Pflanzen. Wie die Augsburger Einrichtung das Insektensterben stoppen will
München Es ist schon ein paar Tage her, dass Marcel Huber als kleiner Bub über eine Blumenwiese tollte und seiner Mutter einen bunten Frühlingsstrauß pflückte. Gerade jetzt aber denkt der bayerische Umweltminister oft an diesen Kindheitsmoment zurück – und zwar mit Wehmut. Denn blühende Wiesen würden im Freistaat immer seltener, klagt Huber. Und das hat Konsequenzen: Die Zahl der Insekten sinkt dramatisch. Und mit ihnen auch die der Vögel, denen die Nahrungsgrundlage verloren geht. In Zahlen ausgedrückt heißt das: 44 Prozent der Brutvogelarten, 75 Prozent der Libellen- und 56 Prozent der Heuschreckenarten sind gefährdet. „Wir müssen die Reißleine ziehen und eine ökologische Firewall für den Artenschutz hochziehen“, sagt Huber am Montag in München.
Ein Teil dieser Firewall ist das neue Bayerische Artenschutzzentrum, das nun in Augsburg seine Arbeit aufnimmt. Ministerpräsident Söder hatte vor wenigen Wochen die Errichtung des Zentrums angekündigt. 50 Experten werden im Eichamt, neben dem Bayerischen Landesamt für Umwelt, Maßnahmen für den Artenerhalt entwickeln. Der Freistaat investiert einen unteren zweistelligen Millionenbetrag. Noch im Juni wird der Aufbaustab der neuen Landesbehörde loslegen. „Unser klares Ziel ist es, den Artenschutz in Bayern auf Spitzenniveau zu heben“, kündigt Huber an. „Der Verlust einer Art kann oft eine Kettenreaktion auslösen. Wir müssen diesen ökologischen Domino-Effekt unbedingt stoppen.“
Ein Bestandteil der Arbeit des Artenschutzzentrums sollen 25 neue Artenhilfsprogramme sein, etwa für Schmetterlinge, holzbewohnende Käfer oder Moorlibellen. Huber macht deutlich, wie wichtig die Einrichtung ist: „Das Zentrum wird eine Art Kommandobrücke bei unserer Arche-Noah-Aktion.“
Der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz begrü- ßen die Einrichtung des Zentrums. Damit finde Bayern endlich Anschluss an andere Länder wie die Schweiz, wo derartige Forschungszentren zur Artenvielfalt schon seit Jahrzehnten bestünden, heißt es in einer Erklärung der beiden großen bayerischen Umweltverbände.
Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Landtags-Grünen, befürchtet indes, dass die ganze Sache zu langsam geht. „Wenn wir jetzt erst wieder mühsam Artenhilfsprogramme für einzelne Arten entwickeln, die dann wieder freiwillig mit der Landwirtschaft umgesetzt werden müssen, werden wir vielen unserer vom Aussterben bedrohten Insekten, Schmetterlingen und Säugetieren nicht mehr helfen können“, teilt er in einem schriftlichen Presse-Statement mit. Er fordert deshalb ein sofortiges Umsteuern in der Agrarpolitik.
Auch Umweltminister Huber hat die Landwirtschaft im Blick. Er will sie für ein weiteres Projekt, den „Blühpakt Bayern“, mit ins Boot holen. Mit zusätzlichen zehn MillioMarkus nen Euro sollen Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft gefördert werden. Bis 2019 sollen so 100000 Hektar landwirtschaftliche Fläche nach den Vorgaben des Vertragsnaturschutzes bewirtschaftet werden. Bis 2030 soll diese Fläche sogar verdoppelt werden.
Der Blühpakt umfasst aber noch mehr: In den kommenden fünf Jahren will das Umweltministerium insektenfreundliche Maßnahmen in den bayerischen Kommunen umsetzen. Möglichst viele öffentliche Flächen sollen bepflanzt werden. Außerdem wird es den Wettbewerb „Blühender Betrieb“geben, der Firmenchefs motivieren soll, mehr blühende Flächen auf ihren Betriebsgeländen zuzulassen.
Und auch die Bevölkerung sei beim Thema Artenschutz gefragt und gefordert, sagt Huber: „Diejenigen, die ihren Mähroboter auf 18 Millimeter Kurzhaarschnitt eingestellt haben, sollte man daran erinnern, dass auch sie einen Beitrag leisten können.“