„Raubbau mit dem Körper geht nicht“
Wer eine so herausragende Stimme besitzt wie die Weltklasse-Sopranistin aus Günzburg, muss sorgsam mit ihr umgehen. Und einfallsreich beim Training sein
Frau Damrau, Sie werden in höchsten Tönen gelobt, als Diva, als Königin, als weltbeste Sopranistin. Wie geht es Ihnen mit solchen Lobpreisungen, setzt Sie das unter Druck?
Diana Damrau: Solche Titel klingen schön, aber es gibt viele wunderbare Sänger da draußen. Jeder ist ein Unikat, hat sein eigenes Repertoire und seinen eigenen Stimmtyp, jeder hat seine Möglichkeiten und seine Fehler. Aber wenn man in der Karriere weit gekommen ist, wird die Luft oben oft sehr dünn. Man muss immer die Leistung bringen, welche die Leute von einem erwarten, und das ist Höchstleistung und Bestleistung. Wir sind keine Maschinen, und manchmal geht es einem weniger gut. Das sind dann schwierige Momente, aber man darf sich nicht verrückt machen. Damrau: Das Lernen von dramatischen Rollen wie auch Komödien unterscheidet sich nicht. Wenn ich auf die Bühne gehe, ist dies mit sehr intensiver Vorbereitungszeit verbunden. In Maske und Kostüm verwandle ich mich dann am Vorstellungsabend in den Charakter, den ich zu verkörpern habe, versetze mich in dessen Geschichte und Situation, und dann geht es los. Nur dürfen wir Sänger diese Emotionen nie im vollen Spektrum loslassen und uns komplett hineinfallen lassen. Die Stimme reagiert auf Gefühle. Ich kann nicht schreien oder weinen beim Singen. Wie ein Pilot muss ich das Flugzeug auch fliegen, in Balance halten, den Überblick bewahren und mich nicht in einem Gefühlsmoment verlieren.
Das ist sicher sehr anstrengend. trainieren, setzte ich mich dann auf den Hometrainer und bin singend geradelt, damit die Lungen und das Herz mitmachen, wenn ich auf der Bühne mit Wäschestücken und Bügeleisen und großen Schießgewehren hantieren musste und dabei wie ein Springball über die Bühne hüpfte – und dabei auch noch Belcanto sang, virtuos und ohne große Möglichkeit, Atem zu schöpfen.
Ihr Mann ist der Opernsänger Nicolas Testé, Sie haben zwei Söhne. Singen Sie auch zu Hause zusammen? Damrau: Wir singen schon, aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die schon am frühen Morgen Opernarien in der Dusche schmettern. Ich höre mir lieber etwas an und tanze dazu und wache auf, mit den Kindern. Mein Mann und ich lieben beide die Musik der Achtziger, das ist unsere Zeit, aber ich mag auch vieles, was jetzt hip ist. Katy Perry läuft bei uns gerade rauf und runter. Wir lieben melodiöse Musik mit Rhythmus, bei der man einfach happy sein kann. Die Buben sind gerade auf der Breakdance- und MichaelJackson-Welle. „Hänsel und Gretel“– und in der nächsten Inkarnation den Großinquisitor aus „Don Carlos“.
Warum eine Männerrolle? Haben es Männer im Gesangsfach einfacher? Damrau: Ich liebe tiefe, ganz tiefe Stimmen. Einfacher hat es dennoch niemand. Aber als guter Tenor hast du schon gewonnen. Das Stimmfach ist sehr rar. Ich persönlich wäre lieber Bass, da ist das Leben viel gemütlicher. Man kann alles ruhiger angehen lassen, denn die großen Rollen für die Bässe kommen später, und man kann als junger Sänger und Künstler wachsen, ohne seine Stimme und Kräfte schon vollkommen zu verausgaben. Koloratursopranistinnen fangen früh und gleich intensiv an, sie müssen in voller Blüte sein und körperliche und stimmliche Höchstschwierigkeiten bewältigen. Danach kommt, wenn man Glück hat, das restliche Repertoire. Dabei muss man sehr auf sich aufpassen. Die hohen Stimmen verzeihen weniger einen ausschweifenden Lebensstil. Raubbau mit dem Körper, das geht einfach nicht, das hört man sofort.