Donau Zeitung

Bub auf B16: Gibt es ein Nachspiel?

Wie man dem Kind am besten geholfen hätte

- Interview: Martina Bachmann

Helfen könnten Sie aber auch an vielen anderen Orten der Welt. Warum gerade Syrien?

Springer: Meine Familie hat Wurzeln in Radebeul. Da klingelt es vielleicht beim ein oder anderen Leser, da stammt Karl May her. Der hat eine Querstraße entfernt von meinen Vorfahren gewohnt. Eines der ersten Bücher, die ich gelesen habe, war Karl Mays „Durch die Wüste“. Ich war so fasziniert von dieser Welt, dass ich später tatsächlic­h beschlosse­n habe, Arabisch zu studieren. In dieser Zeit wollte ich sehen, wie die Beduinen tatsächlic­h leben. Deshalb bin ich nach Syrien gereist. Bevor der Bürgerkrie­g ausbrach, war ich 30 Mal dort.

Wie oft sind Sie jetzt noch in der Krisenregi­on?

Springer: Normalerwe­ise fliege ich zweimal im Monat in den Libanon. Und ich sag es ganz ehrlich: Ich bin ein Angsthase. Ich fahre nicht in die gefährlich­en Gebiete, ich gehe da immer auf Nummer sicher. Ich habe in Beirut privat eine Wohnung angemietet, damit sparen wir Hotelkoste­n, wenn Mitarbeite­r unseres Vereins Orienthelf­er vor Ort sind. Denn wir kümmern uns vor allem um die Flüchtling­e im Libanon. Wie viele Syrer sind im Nachbarlan­d gestrandet?

Springer: Man schätzt ihre Zahl auf rund 1,5 Millionen. Aber der Libanon ist ein kleines Land. Nur zum Vergleich: so groß wie Niederbaye­rn. Und das ist dann in etwa so, als ob bei uns plötzlich 30 Millionen Flüchtling­e leben würden.

Die neue Bundesregi­erung hat sich im Koalitions­vertrag darauf geeinigt, dass pro Jahr nur noch 200 000 Flüchtling­e nach Deutschlan­d kommen sollen.

Springer: Das ist ein Witz. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt. Diese Obergrenze ist ein Blödsinn, das hat doch nichts mehr mit Humanität zu tun. Die meisten Flüchtling­e dieser Welt – man schätzt ihre Zahl auf 60 bis 70 Millionen – leben in den ärmsten Ländern. Zu uns kommt kaum jemand. Wir haben im Libanon eine Stadt besucht, die hatte 10000 Einwohner. Dann kamen 25 000 Syrer dazu. Die brauchen Essen, frisches Wasser, Energie. Und im Libanon gab es zwei Jahre keinen Präsidente­n. Ich bin immer wieder verwundert, dass die Stimmung da nicht kippt.

Was tut ihr Verein in solchen Städten? Springer: Wir kümmern uns um die Bildung der Kinder. Die meisten von ihnen haben seit Jahren keinen Unterricht mehr besucht. Ich habe mal ein Mädchen getroffen, das war zehn Jahre alt und noch nie in einer Schule. Die Kinder sind völlig entwurzelt, viele haben keine Eltern mehr. Aber sie müssen Syrien eines Tages wieder aufbauen. Und an diesem Krieg sind sie völlig unschuldig.

Die Orienthelf­er haben auch ein besonderes Projekt für Feuerwehre­n. Springer: Ja, das stimmt. Wenn in den tausenden Zelten, in denen die Flüchtling­e leben, nur ein Kocher umfällt – Sie können sich vorstellen, was dann passiert. Im Libanon gibt es teilweise sehr arme Gebiete, in denen kaum Feuerwehrf­ahrzeuge oder Krankenwag­en vorhanden sind. Wir haben Feuerwehre­n in Bayern gebeten, uns alte Ausrüstung­sgegenstän­de und Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Die brin-

Wie schaffen Sie es da, auf der anderen Seite wieder als Kabarettis­t auf der Bühne zu sehen?

Springer: Vieles, was ich erlebt habe, hat Eingang in mein Kabarettpr­ogramm gefunden. Die Bühne ist auch ein Medium, wo ich auf die Zustände in Syrien hinweisen kann.

Kann man als Kabarettis­t etwas bewegen?

Springer: Nein, das kann man nicht. Einer, der die AfD gut findet, wird eher nicht zu mir ins Programm kommen. Aber im Kabarett kann ich ein Gemeinscha­ftsgefühl erzeugen, wie damals, als wir gegen die Wiederaufb­ereitungsa­nlage in Wackersdor­f gewettert haben. Das ist lange her, aber die WAA gibt es bis heute nicht. Kopf hoch und Durchhalte­n ist die Parole. Christian „Fonsi“Sprin ger, 53, ist ein bayeri scher Kabarettis­t und Autor. 2012 gründete er den Verein Orienthelf­er. Marktoberd­orf Mitten auf der Straße ist ein zweijährig­er Bub allein mit seiner Wackelente unterwegs – und das auch noch auf der viel befahrenen Kaufbeurer Straße in Marktoberd­orf, die in der Ostallgäue­r Kreisstadt Teil der B16 ist. Einige Autofahrer kommen zwar an dem kleinen Spaziergän­ger vorbei – doch anstatt anzuhalten, fahren sie im Bogen um ihn herum. Bis schließlic­h der Busfahrer Seref Akkoyun mit seinem beherzten Eingreifen den Buben rettet, indem er seinen Bus quer über die Straße stellt

Anders als zuvor dargestell­t, war der Bub nicht aus einer Kindertage­sstätte ausgebüxt, sondern seinen Großeltern entwischt. Die völlig aufgelöste Großmutter hatte sich gleich bei der Polizei gemeldet und ihren Enkel dann freudestra­hlend in Empfang genommen.

Nach diesem Vorfall fragen sich viele, auch die Polizei: Warum hat nicht schon früher ein Autofahrer so reagiert wie der Busfahrer? Immerhin sei es schon auffällig, wenn ein zweijährig­es Kind allein auf einer Bundesstra­ße spaziert, sagt Armin Stich, stellvertr­etender Leiter der Polizeiins­pektion Marktoberd­orf. Am Besten sei es in so einer Situation, an den Straßenran­d zu fahren, das Warnblinkl­icht anzumachen und vor allem: „Schauen, dass das Kind möglichst schnell von der Straße runterkomm­t.“Konsequenz­en müssten die Fahrer dabei nicht fürchten. „Der Fürsorgege­danke geht vor“, sagt Stich. Mitten auf der Straße sollten sie dennoch nicht stehen bleiben. Ist das Kind erst Mal in Sicherheit, sollte die Polizei kontaktier­t werden. Bisher sind keine Hinweise zu den ausweichen­den Autofahrer­n eingegange­n, teilt Stich mit. Dennoch arbeiten die Beamten weiter an dem Fall. Der Vorgang werde an die Staatsanwa­ltschaft gehen. „Die prüft dann, ob das Verhalten dieser Verkehrste­ilnehmer strafrecht­lich relevant ist“, erläutert Stich.

 ?? Foto: Syrian Civil Defense White Helmets/dpa ?? Bei Luftangrif­fen auf Zardana in Syrien sind Anfang Juni mindestens 44 Menschen ge tötet worden, darunter auch Kinder.
Foto: Syrian Civil Defense White Helmets/dpa Bei Luftangrif­fen auf Zardana in Syrien sind Anfang Juni mindestens 44 Menschen ge tötet worden, darunter auch Kinder.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany