Kunden können bald gemeinsam klagen
Noch diese Woche will der Bundestag über die Musterfeststellungsklage entscheiden. Was das bedeutet
Berlin Verbraucherschützer fordern schon seit Jahren, dass sich Geschädigte im Streit mit einem Unternehmen zusammentun und vor Gericht Schadenersatz für ein fehlerhaftes Produkt geltend machen können. An dem Gesetzentwurf zur Musterfeststellungsklage, der noch in dieser Woche vom Bundestag beschlossen werden soll, gibt es auch Kritik.
Wie ist die Lage zurzeit?
Jeder Verbraucher, der sich geschädigt fühlt, muss nach aktueller Rechtslage selbst klagen – und geht dabei das Risiko ein, vor Gericht eine Niederlage zu erleiden und die Prozesskosten zahlen zu müssen. Bei vergleichsweise geringen Summen, etwa einer fehlerhaften Strompreiserhöhung, ist dieses Risiko deutlich höher als der Schaden. Daher ziehen nur die wenigsten vor Gericht. Klagt ein einzelner Verbraucher, gilt das Urteil nur für ihn. Andere Betroffene haben davon erst einmal nichts.
Was sieht das Gesetz zur Musterfeststellungsklage vor?
Das Gesetz schafft eine Klagemöglichkeit von Verbänden gegen Unternehmen. Betroffene können sich anschließen: Sobald die Klage bei Gericht eingereicht und an den Be- klagten zugestellt ist, wird sie in einem Klageregister des Bundesamts für Justiz öffentlich gemacht, in dem sich Verbraucher eintragen können. So wird der Verjährung vorgebeugt. Dann wird das sogenannte Musterfeststellungsverfahren zwischen Verband und Unternehmen geführt, das mit einem Vergleich oder einem Urteil endet. Im Erfolgsfall bekä- men Betroffene maximal das, was auch individuell einklagbar wäre. Verbraucher können noch am Tag der mündlichen Verhandlung vom Musterverfahren zurücktreten und individuell klagen.
Welche Bedingungen gibt es für Kläger und die Klage?
Die Musterfeststellungsklage ist laut Gesetzentwurf nur zulässig, wenn mindestens zehn Verbraucher ihre Betroffenheit glaubhaft machen können und sich mindestens 50 Verbraucher binnen zwei Monaten nach der Bekanntmachung anmelden. Bei den klageberechtigten Verbänden gilt die Einschränkung, dass sie mindestens 350 Mitglieder oder zehn Mitgliedsverbände haben.
Um welche Fälle könnte es gehen? Wichtig ist die zeitnahe Einführung der Musterfeststellungsklage für die vom VW-Abgas-Skandal betroffenen Kunden, da viele Ansprüche zum Jahresende verjähren. Deshalb soll das Gesetz nach dem Willen der Regierung Anfang November in Kraft treten. Denkbar sind Musterfeststellungsklagen auch dann, wenn Anbieter die Strom- oder Gaspreise unrechtmäßig erhöhen, bei Finanzdienstleistungen wie Lebensversicherungen und Bausparverträgen oder im Miet- und Reiserecht.
Wie sieht der Rechtsweg aus? Nach letzten Änderungen am Gesetzentwurf soll die Klage nun schon in erster Instanz vor den Oberlandesgerichten und nicht an den Landesgerichten verhandelt werden. Dadurch wird der Weg zum Bundesgerichtshof (BGH) verkürzt. Handwerker sowie kleine und mittlere Unternehmen sollen bessergestellt werden, indem sie eigene laufende Klagen zum selben Thema aussetzen lassen können, bis das Musterfeststellungsverfahren entschieden ist.
Welche Kritik gibt es an dem Gesetzentwurf? Verbraucherschützer und auch Parteien finden die Pläne unzureichend. So beklagen etwa mehrere Anlegerschutzorganisationen und Umweltverbände sowie die Grünen die hohen Anforderungen an die klagenden Verbände.
Ist die Musterfeststellungsklage mit US-Sammelklagen vergleichbar?
Die Unterschiede sind groß: In den USA beantragen Anwälte eine Sammelklage und Betroffene werden einbezogen, wenn sie nicht aktiv austreten (Opt-out statt wie in Deutschland Opt-in). Neben Schadenersatzzahlungen werden vom Gericht auch Geldstrafen verhängt, die höher sein können als der tatsächliche Schaden für die Verbraucher. Anwälte erhalten Erfolgshonorare.