Thyssenkrupp verschmilzt seine Stahlsparte mit Tata
Firmenchef Heinrich Hiesinger hat die Verträge unterzeichnet. Jetzt geht der Umbau des deutschen Traditionskonzerns in die heiße Phase
Essen Thyssenkrupp-Chef Hiesinger ist nach über zweijährigen Verhandlungen der Durchbruch gelungen: Vor dem Hintergrund von weltweiten Überkapazitäten beim Stahl schließen sich die Konkurrenten Thyssenkrupp und Tata zusammen und gründen den zweitgrößten Stahlkonzern Europas. Beide Unternehmen unterzeichneten am Samstag die Verträge für ein StahlGemeinschaftsunternehmen. Damit ist auch der Weg frei für einen weiteren Umbau bei Thyssenkrupp. Die Strategie solle bis Mitte Juli vorgelegt werden, kündigte das Unternehmen am Samstag an.
Mit dem Zusammenschluss soll Europas zweitgrößter Stahlkonzern nach ArcelorMittal entstehen. Das neue Unternehmen wird rund 48 000 Mitarbeiter haben, einen Umsatz von über 17 Milliarden Euro und Werke in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Thyssenkrupp soll mit einem Anteil von 50 Prozent beteiligt sein. Erwartet werden jährlich wiederkehrende Synergien von 400 bis 500 Millionen Euro. Die Transaktion steht allerdings unter dem Vorbehalt der Freigabe durch die Wettbewerbsbehörden.
Das Gemeinschaftsunternehmen mit dem Namen Thyssenkrupp Tata Steel B.V. bekommt seinen Sitz in den Niederlanden. „Mit dem Joint Venture sichern wir uns langfristig eine wettbewerbsfähige Position in der europäischen Stahlindustrie“, sagte Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger. „Damit erhalten wir langfristig Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten in europäischen Schlüsselindustrien.“
Für den seit sieben Jahren an der Thyssenkrupp-Spitze stehenden Manager ist es ein lang erwarteter Befreiungsschlag. Zuletzt war Hiesinger unter Druck geraten, weil Anteilseigner mehr Tempo bei dem Umbau des Ruhrkonzerns gefordert hatten.
Investoren wie der als aktivistisch geltende US-Investor Paul Singer und sein Hedgefonds Elliott hatten den Thyssenkrupp-Chef scharf attackiert. „Hiesinger sitzt jetzt wieder deutlich fester im Sattel“, stellt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz fest. Der Manager habe nun alle Probleme gelöst, die er sich vorgenommen habe. Auch die Bilanz des Konzerns sehe jetzt deutlich besser aus. Nun werde die Strategie mit Spannung erwartet. „Jetzt wollen alle wissen, wie es weitergeht“, sagt Hechtfischer. Nach heftigen Protesten hatten zuletzt auch die Arbeitnehmervertreter Zustimmung signalisiert. Die deutschen Stahlkocher haben eine Beschäftigungsgarantie bis zum 30. September 2026 sowie eine langfristige Standortsicherung erhalten. Geplant ist aber auch der Abbau von bis zu 4000 Stellen, davon etwa die Hälfte in Deutschland.
Experten wie Professor Roland Döhrn vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung schließen jedoch Einschnitte beim Stahl auch künftig nicht aus. „Solche Fusionen sind häufig der erste Schritt für Bereinigungen“, sagte Döhrn. „Das größte Problem der Stahlindustrie ist, dass die Nachfrage durch den wirtschaftlichen Strukturwandel abnimmt.“Viele Produkte wie etwa Autos enthielten immer weniger Stahl, weil sie immer leichter würden.