Energie sparen, Umwelt schonen, Geld verdienen
Unser Stromverbrauch wird bis 2050 um mindestens 100 Prozent steigen. Doch wo soll der Strom herkommen? Im Landkreis Dillingen gibt es laut Experten eine ganz besondere Chance
Landkreis Während sich viele fragen, wo sie Strom sparen können, steht fest: Der Stromverbrauch wird weiter steigen, bis 2050 um mindestens 100 Prozent. Laut Sebastian Hartmann liegt das an der Elektrifizierung des Verkehrs und am Wärme- und Brennstoffersatz auf Strombasis. Der Vertreter des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (EZA) stellte daher den Bürgermeistern aus dem Landkreis Dillingen vor, wo noch Energie gewonnen werden kann. Mit Wind, sagte Landrat Leo Schrell, kaum. Mit Biomasse, Stichwort „Vermaisung“, auch nicht.
Hartmann sagt, das größte Potenzial, die ökologische Stromerzeugung zu erhöhen, ergebe sich durch die Sonne. Wetterdaten und geografische Lage würden ganz klar dafür sprechen. Allerdings müssten dann wesentlich mehr Dachflächen als heute mit Fotovoltaik-Anlagen ausgerüstet werden. Die Investition zahle sich inzwischen auch aus. Ein Beispiel: Eine 7,3-Kilowatt-peakAnlage, südexponiert und ohne Speicher, kostet 1400 Euro pro Kilowatt peak. (Mit Kilowatt peak (kWp) wird die Größe einer Fotovoltaikanlage beschrieben). Bei einem Stromverbrauch von 4400 Kilowattstunden im Jahr und einem Strombezugspreis von 28 Cent/Kilowattstunde, Wartungs- und Versicherungskosten in Höhe von 175 Euro und einem Autarkiegrad von 52 Prozent beträgt der Gewinn (ohne Steuern) nach 20 Jahren 1649 Euro. Die Rendite liegt laut Hartmann bei satten vier Prozent. Außerdem würden über 20 Jahre 78 Tonnen CO eingespart. Er empfiehlt Hausbesitzern, maximal sechs bis sieben Quadratmeter pro Kilowatt peak auf das Dach zu bauen. So eine 60-Quadratmeter-Anlage passe locker auf ein normales Dach. Wirtschaftlich wird es dann dadurch, dass man dank der eigenen Anlage weniger Strom vom Energieerzeuger kaufen muss und zudem Überschuss für zwölf Cent ins Netz verkaufen kann, sagt Hartmann.
Erreichbar wären im Landkreis Dillingen 500 000 Megawattstunden aus Sonnenenergie. Anlagen von 341000 Kilowatt peak müsste man dafür installieren. Dafür bräuchte man 2,4 Quadratkilometer. Oder stattdessen: jeden dritten Haushalt mit PV bestücken. Das wären von den rund 30000 Haushalten im Landkreis Dillingen 10 000 und weitere 169 Hektar zusätzliche Flächen.
Würde man 60000 Kilowatt peak, ein Drittel der derzeitigen Leistung, zubauen, würde das etwa 80 Millionen Euro kosten. Geld, das vor allem regionale Unternehmen verdienen würden. Der jährliche Stromertrag bei 950 Kilowattstunden pro Kilowatt peak beträgt dann 57 Millionen Kilowattstunden/Jahr. Der jährliche Ertrag liegt bei einem Eigenverbrauch von 30 Prozent bei 7,56 Millionen Euro. 3,25 Millionen würde man sich im Jahr bei 19 Cent pro Kilowattstunde bei Eigenverbrauch sparen, 4,4 Millionen Euro im Jahr könnten für die Einspeisung bei elf Cent pro Kilowattstunde Vergütung erlöst werden. Damit hätten sich die Investitionskosten bereits nach zehn Jahren amortisiert.
„Das ist doch eine tolle Chance“, warb Hartmann. Die Wertschöpfung bliebe in der Region, die Unab- hängigkeit steige, weil das Potenzial im Landkreis Dillingen durch viele Eigenheime besonders groß ist und der Sonnenstrom für Wärmeerzeugung und Elektromobilität eingesetzt werden kann.
Doch dafür muss das Thema bekannt und auch von den Kommunen forciert werden. Das Stichwort heißt Sonnenkampagne. Mit angestoßen hatte das Thema der Energiebeirat des Landkreises. Dort sind auch sämtliche Energieversorger vertreten, und unterstützen das Thema Sonnenenergie uneingeschränkt Der Landkreis selbst geht laut Leo Schrell mit der Sanierung des Landratsamtes schon mit gutem Beispiel voran. Dort wird eine FotovoltaikAnlage auf dem Dach samt Batterie installiert. Auch damit will man dem European Energy Award näherkommen. Das internationale Zertifikat unterstützt Kommunen auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz.
Damit im Landkreis alle mitziehen, könnte man laut Hartmann auch auf Webseiten, im Gemeindeblatt oder über Sonnenbotschafter, die bereits eine Anlage haben und über ihre Erfahrungen berichten, werben.
Landrat Schrell erinnerte vorsichtig daran, dass entsprechende Veranstaltungen im Lauinger Windstützpunkt nicht gerade von Zuschauern überrannt worden waren. Der Appell richtete sich daher an die Gemeinden, die Werbetrommel für das Thema zu rühren. Kommunen, die auf ihren öffentlichen Gebäuden Potenzial für Fotovoltaik-Anlagen sehen, können sich an das Landratsamt, Wirtschaftsförderer Christian Weber, wenden. Das EZA bietet ihnen kostenlose Gebäudebegehungen an und wird auch ein Konzept erarbeiten, um Aktionen zu bündeln.
Im Allgäu, sagt Hartmann, hat das bereits gut funktioniert. Am Telefon später berichtet er noch von einer ganz anderen Aktion: Tübingen will eine Solarpflicht einführen. Diese sei für Mieter oder Bauherren verpflichtend, wenn sie sich wirtschaftlich rechnet. Hartmann glaubt nicht, dass diese Idee schnell Nachahmer findet. Aber die Sonnenkampagne im Dillinger Landkreis könne ein Anfang sein. » Kommentar