Trotz Trump: Wir dürfen keine Welt ohne Amerika planen
Der US-Präsident hat endgültig bewiesen, dass wir uns auf ihn nicht verlassen können. Jetzt geht es darum, in den USA demokratische Aufbauhilfe zu leisten
Das reichlich bizarre Gipfeltreffen zwischen Wladimir Putin und Donald Trump enthielt einen besonders bizarren Moment – weil er so ehrlich war. Auf die Frage, ob seine Geheimdienste in früheren Jahren belastendes Material gegen Trump gesammelt hätten, antwortete der russische Präsident sinngemäß: Nein, schon weil er dessen politischen Aufstieg niemals für möglich gehalten hätte. Trump, das sei jemand gewesen, der Wolkenkratzer gebaut und Schönheitswettbewerbe abgehalten habe, aber amerikanischer Präsident? Putin klang ehrlich erstaunt über Trumps Karriere, so wie jeder normale Beobachter. Allerdings klang er auch wie jemand, der sein Glück kaum fassen kann.
Der Rest der Welt, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, vermag hingegen das aktuelle Unglück kaum noch zu fassen. Spätestens mit dem Auftritt in Moskau ist klar geworden, dass Trump die Axt an jenes Fundament legen wird, das Amerikas Anziehungskraft über viele Jahre so unwiderstehlich gemacht hat: eine sehr selbstbewusste, aber seinen engsten Verbündeten gegenüber auch durchaus selbstlose Supermacht zu sein – und jene wertebasierte westliche Weltordnung zu verteidigen, von der die USA (und wir) in historisch einmaliger Weise profitiert haben.
Trump führt diese Axt teilweise aus schlichter Ignoranz. Aber auch methodisch, weil er so auf Rückendeckung bei seinen treuesten Wählern setzen kann, denen es genau um diesen Ton geht. Für sie kann er national und international gar nicht unverschämt genug auftreten. Bis zu 80 Prozent von ihnen spendeten laut Umfragen sogar seinem Gastspiel bei Putin Beifall. Sie verehren ihn für den (krude vorgetragenen) Hinweis, die bestehende Werte- und Weltordnung habe auch Verlierer hervorgebracht.
Weil Trump beides in einzigartiger Weise verbindet – die Interessen einer Plutokratie zu vertreten und die Gefühle einer wütenden und frustrierten Basis zu erreichen –, kann er so selbstbewusst über seine Wiederwahl reden. Das bedeutet: Er könnte auch dann noch im Amt sein, wenn Angela Merkel längst eine Politrentnerin ist. Wie soll Europa also mit ihm umgehen? Ihn durch klassische Diplomatie zu beeinflussen, durch Schmeichelei, durch Annäherung, scheint zunehmend hoffnungslos zu sein. Der Machtmensch Trump bewundert Menschen mit absoluter Macht wie Nordkoreas Diktator Kim Jong Un oder eben Putin. Demokraten scheint er zu verachten – oder sie sind ihm schlicht egal.
Manche in Deutschland meinen nun, Trump sei keine Ausnahmeerscheinung, sondern Ausfluss einer US-Bewegung, die sich dauerhaft von Europa, von der Welt abwende. Also müssten wir über eine Welt ohne Amerika nachdenken, militärisch autarker werden, China umgarnen, Russland vielleicht auch – und die Macht des Dollars brechen. Nur: Es gibt keinen durchdachten Plan B.
Wenn Amerikas Ex-Botschafter in Berlin, John Kornblum, sagt, Europa habe in einem solchen Wettlauf keine Chance, klingt das hart. Aber der Mann hat recht. Die Vereinigten Staaten sind nicht nur politisch und militärisch dominant, sondern auch wirtschaftlich, man denke nur an die IT-Industrie.
Ganz gewiss muss Europa entschlossener werden, seine Außenund Sicherheitspolitik neu definieren und seine wirtschaftliche Stärke ausbauen. Aber wir müssen die Partnerschaft mit Amerika trotzdem zu bewahren versuchen, auf allen Ebenen und mit all den Demokraten und Patrioten, die es dort immer noch gibt. Nur wenn wir den USA mit unseren (bescheidenen) Mitteln den Rücken stärken, können wir hoffen, dass die Ausnahmeerscheinung Trump in Amerikas Geschichte eine Ausnahme bleibt.
Europa hat keinen durchdachten Plan B