Was wird aus Stadler?
Diesel-Skandal Der Auto-Manager sitzt gut drei Monate in Untersuchungshaft. Heute kommen die VW- und Audi-Aufsichtsräte zusammen, um über sein berufliches Schicksal zu beraten
Audi-Manager Rupert Stadler sitzt seit gut drei Monaten in Untersuchungshaft. Heute geht es um sein berufliches Schicksal.
Augsburg Es lässt sich nicht mit allzu vielen Spitzenmanagern ausladend über die Gerüche des Landlebens plaudern. Mit Rupert Stadler sind solch geerdete Gespräche jenseits kalter PS- und Rendite-Kraftprotzereien möglich. Einmal schwärmte er gegenüber unserer Zeitung von der Hopfenernte in der bayerischen Hallertau: „Da liegt ein Duft in der Luft. Das gibt es in der Stadt so nicht.“Dann schob er einen Satz nach, der für den Vorstand eines Auto-Unternehmens ungewöhnlich klingt: Seine Geruchserlebnisse bei der Ausfahrt mit dem Motorrad ließen sich mit Geld nicht aufwiegen.
Seit gut drei Monaten sitzt der 55-Jährige in Untersuchungshaft. Er wurde am 18. Juni festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen gebracht – ein schweres Los für alle Insassen. Der bewegungslustige Manager, der gerne Rad fährt und wandert, soll aber besonders unter dem Freiheitsentzug leiden. Träumt er manchmal vom Hopfenduft in der Hallertau, von der Freiheit, einfach durch sein geliebtes Bayern zu fahren? Es würde zu Stadler passen. Der Oberbayer ist ein Landmensch. Stadler wurde auf einem Bauernhof groß und hat über diese Zeit einst mit Ehrfurcht gesagt: „Da musst du Sonntag raus, auch wenn es dir nicht passt. Es steht eben die Ernte an.“
Doch die bodenständige Seite Stadlers ist wenigen vertraut. Viele bringen ihn mit dem Geruch von Dieselabgasen in Verbindung. Sie wissen längst, dass die dadurch freigesetzten Stickoxide der Gesundheit des Menschen abträglich sind, ja zum Tod vieler Menschen führen können. Und die Käufer eines solchen Betrugsfahrzeugs ärgern sich, dass die Autokonzerne ihnen verschwiegen haben, dass die Wagen mehr Stickoxide ausstoßen, als offiziell eingeräumt wurde.
Der bekannte Philosoph Peter Sloterdijk ist ein Dieselfahrer. Er will sich im Gespräch mit unserer Zeitung zwar nicht über Stadler auslassen, aber eine dezidierte Meinung zum Dieselthema hat der wortmächtige Mann dann doch. Der Philosoph gibt den politisch Verantwortlichen in Deutschland eine Mitschuld an der Misere. „Der Dieselbetrug ist ein Volksbetrug seitens der Regierung“, sagt der Autor. Sloterdijk spricht sogar von „einem Betrug ungeheuren Ausmaßes“. Seine Begründung dafür lautet: Die politisch Verantwortlichen hätten einst den Dieselmotor zu einer nationalen Angelegenheit hochstilisiert, wohl wissend, „dass er schadstoffhaltiger ist“. Viele Bürger seien darauf aber reingefallen.
Stadler lassen solch Sticheleien sicher nicht kalt. Es ist kein stahlharter Manager, an dem Kritik abperlt, auch wenn der Audi-Stratege immer wieder als „Teflon-Mann“charak- terisiert wurde. Schließlich hielt er sich lange im Amt, obwohl schon vor Jahren schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Stadler ist eben ein immerwährender Widerspruch. Irgendwo zwischen Hopfenduft und Dieseldunst darf sein Selbst vermutet werden. Heute wird er gespannt nach Wolfsburg blicken. Denn dort kommen die Aufsichtsräte von Audi und der Muttergesellschaft Volkswagen zusammen.
Nach Informationen dieser Zeitung werden die Kontrolleure auch die Frage erörtern, ob Stadler weiter beurlaubt bleibt oder sein Vertrag, der bei Volkswagen bis 2019 läuft, aufgehoben wird – eine knifflige juristische Frage. Der Augsburger Arbeitsrechtler Guntram Baumann von der Kanzlei Meidert & Kollegen meint dazu: „Die Aufsichtsräte müssen die Frage sorgfältig abwägen, die Interessen der Gesellschaft bedenken und sich eine Meinung bilden, ob die andauernde Haft Stadlers einen wichtigen Grund zum Widerruf seiner Bestellung darstellt.“Natürlich gelte auch für Spitzenmanager die Unschuldsvermutung. So einfach ist das also alles nicht. Letztlich orientieren sich die Aufsichtsräte an Paragraf 84 des Aktiengesetzes. Danach müsste Stadler etwa eine grobe Pflichtverletzung begangen haben, sodass sein Vertrag aufgelöst werden kann.
Damit erklärt sich, warum die Aufsichtsräte eine Entscheidung in der Sache schon einmal vertagt haben. Ob sie heute einen endgültigen
Der Manager ist ein Landmensch
Aufsichtsräte stehen vor kniffligen Beratungen
Beschluss über Stadlers VW- und Audi-Karriere fällen, war am Donnerstag noch offen. Die Entscheidung könnte sich jedoch, wie es in Wolfsburg und Ingolstadt heißt, in die Nachmittags- und Abendstunden hinein ziehen. Denn nach dem VW-Aufsichtsrat muss auch das Audi-Kontrollgremium den Fall beraten. Wie auch immer die Sache ausgeht: Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer hat schon eine klare Meinung: „Es gibt keine andere Wahl, als den Vertrag mit Stadler aufzulösen. Ich gehe davon aus, dass es so kommt.“Denn niemand könne sich vorstellen, dass er weiter AudiChef bleibt. Professor Dudenhöffer würdigt aber auch die Verdienste des Managers: „Dass Audi in den letzten zehn Jahren so erfolgreich war, ist auch auf Stadlers großes Engagement zurückzuführen.“Er habe das China-Geschäft ausgebaut und konnte mit SUV-Autos punkten. „Es gebührt ihm ein gewisser Dank“, meint Dudenhöffer noch.
Doch vom Dank des Auto-Experten kann sich Stadler nichts kaufen. Wann er wieder den Duft des Hopfens riechen darf, ist ungewiss. Es wird sich zeigen, ob ihm eine weitere Haftprüfung die Freiheit bringt. In Münchner Justizkreisen wird getuschelt, er könnte spätestens vor Weihnachten freikommen.
Dann wartet der Duft von Plätzchen auf Stadler. Ein Traumduft.