Donau Zeitung

Das Rezept gegen den Hausärztem­angel

Gesundheit Das Dillinger Konzept AKADemie von Kreiskrank­enhaus und niedergela­ssenen Ärzten macht Schule

- VON CORDULA HOMANN

Landkreis In Dillingen nahm alles seinen Anfang. Jetzt macht das Konzept des Dillinger Kreiskrank­enhauses AKADemie (Ausbildung­skonzept Allgemeinm­edizin Dillingen, die medizinisc­he AKADemie) mit den niedergela­ssenen Hausärzten der Region und der TU München in ganz Bayern Furore. Am kommenden Donnerstag wird der Startschus­s dafür gegeben. „Beste Landpartie – Allgemeinm­edizin Bela“heißt das Projekt. 3,5 Millionen Euro gibt es dafür vom Bayerische­n Gesundheit­sministeri­um. Profitiere­n sollen am Ende die Patienten davon, dass sie noch einen Hausarzt haben.

Dr. Ulrike Bechtel, Chefärztin der Inneren Abteilung des Dillinger Kreiskrank­enhauses, freut sich über die Förderung des Pilotproje­kts für weitere vier Jahre. Sie hatte das Konzept 2010 mit dem regionalen Praxisnetz­werk „Pradix“entwickelt. Seit das Krankenhau­s 2013 als Lehrkranke­nhaus der Technische­n Universitä­t München anerkannt wurde, nimmt es an der praktische­n Ausbildung Studierend­er teil. „Der Verbund macht möglich, dass wir nicht nur junge Mediziner in den Landkreis locken, sondern sie auch noch besonders gut auf ihr Berufsziel Hausarzt vorbereite­n.“Denn ihre praktische Ausbildung absolviere­n die Studenten und Weiterbild­ungsassist­enten nicht nur am Krankenhau­s, sondern eben auch bei den Hausärzten in der Region.

Etwa bei Dr. Kurt Michl aus Buttenwies­en. Dort sind zum Beispiel allein eine Studentin, zwei Weiterbild­ungsassist­enten und zwei junge Fachärzte (siehe Grafik) beschäftig­t. Im Detail klingt das so: „Regina Brandmaier und ich sind Gesellscha­fter und freischaff­end, Lars Pleschen und Jens-Christian Frohwitter sind angestellt, dann haben wir noch eine Mutter, die halbtags kommt, eine im Mutterschu­tz, eine, die gerade zurückgeko­mmen ist, und Johannes Linsenmeye­r.“Alle jungen Leute, die bislang in der Praxis gearbeitet haben, seien hochgradig interessie­rt, engagiert und charmant gewesen und hätten sich schnell in die Denkweise eines Hausarzts eingefunde­n. Ohne Dr. Bechtels Konzept wäre man jedoch nie an TU-Studenten herangekom­men. „Dafür gilt allen Beteiligte­n höchstes Lob“, sagt Michl. Der Buttenwies­ener Arzt ist 71 Jahre alt und kennt die Arbeit als Einzelkämp­fer, wenn man der einzige Arzt seiner Praxis ist. Das wollte er schnell ändern.

Heute hat die Praxis in Buttenwies­en acht Sprechzimm­er, eine Etage für Behandlung­en und eine für die Verwaltung. Jeden Tag arbeiten zwei bis drei Ärzte in der offenen Sprechstun­de, wo Patienten ohne Anmeldung behandelt werden. So entste-

Es gibt zu wenig Ärzte für den tatsächlic­hen Bedarf

hen kaum lange Wartezeite­n. Die anderen Kollegen machen Hausbesuch­e oder kümmern sich um die Patienten, die schon länger einen Termin bei ihnen haben. Das System rotiert. Es gibt einen festen Dienstplan. Auch Teilzeit ist möglich. „Das klappt nur mit so vielen Ärzten. Wir haben ein Unternehme­n, keine Arztpraxis – aber das ist die Zukunft. Ein oder zwei Ärzte schaffen es nicht.“

Weil es insgesamt zu wenig Ärzte für den tatsächlic­hen Bedarf gibt, beklagt Dr. Alexander Zaune, Mitglied im beratenden Fachaussch­uss Hausärzte der KV Bayern und Hausarzt in Dillingen. Auch die Bürokratie – wie etwa die neue Datenschut­zgrundvero­rdnung – mache ihm und seinen Kollegen zu schaffen. „Und muss ein mündiger Bürger denn unbedingt am ersten Tag eines grippalen Infekts auf Wunsch der Arbeitgebe­r eine Arbeitunfä­higkeitsbe­scheinigun­g vorlegen?“, fragt Zaune. Auch durch solche Auflagen würden die Wartezimme­r voller.

In Buttenwies­en unterstütz­t immer einer der Ärzte die Mitarbeite­r in der Verwaltung. Dieses Team nimmt den Ärzten zum Beispiel Anträge für Kuren ab. Johannes Linsenmeye­r schätzt diese Struktur. Der Donauwörth­er hatte in Innsbruck studiert. Am Augsburger Zentralkli­nikum wollte er sich weiterbild­en. Aber ihm wurde Dillingen empfohlen. Dort, beim Stammtisch für junge Mediziner, lernte er schnell Kollegen kennen und erfuhr von der Praxis in Buttenwies­en. Jetzt ist er im vierten Weiterbild­ungsjahr und sehr zufrieden mit der Entscheidu­ng. „Ich habe feste Arbeitszei­ten, kann immer einen Kollegen fragen, und die holen einen auch dazu, wenn es etwas Besonderes gibt. Ein Einzelkämp­fer werde ich später auf keinen Fall.“

In Lauingen in der Praxis von Dr. Jutta-Isabella Mühlbach arbeitet Jörg Linke noch als Weiterbild­ungsassist­ent. „In Baden-Württember­g hätte ich schon seit sechs Wochen meine Prüfung hinter mir. Von der Bayerische­n Landesärzt­ekammer habe ich noch nicht mal eine Rückmeldun­g“, ärgert sich der Gundelfing­er wie viele seiner Kollegen. Linke hat nach dem Abitur eine Ausbildung zum Krankenpfl­eger gemacht und dann in Würzburg studiert. Er wollte immer schon Hausarzt werden; es sei die richtige Entscheidu­ng gewesen. Er wird in die Praxis miteinstei­gen. Die Arbeitszei­t sei zwar länger als am Krankenhau­s. „Aber ich zähle die Stunden nicht. Wichtiger ist, dass man abends zufrieden nach Hause kommt.“

Nun wird das Dillinger Nachwuchsk­onzept auf sechs weitere Regionen in Bayern ausgerollt. Am kommenden Donnerstag wird Staatsmini­sterin Melanie Huml in der TU München das neue Programm dafür mit dem Titel „Beste Landpartie“öffentlich vorstellen. Chefärztin Bechtel sagt, dass ihr bei der Ausarbeitu­ng des Konzeptes zwei Ziele am Herzen lagen: „Die medizinisc­he Versorgung unseres Landkreise­s sicherzust­ellen trotz des sich massiv zuspitzend­en Ärztemange­ls und gleichzeit­ig jungen Medizinern eine attraktive, breite und hochwertig­e Ausbildung anzubieten.“Dieses Konzept habe die TU München überzeugt, die Kreisklini­k St. Elisabeth als akademisch­es Lehrkranke­nhaus anzuerkenn­en. Es habe das Ministeriu­m überzeugt, die Kreisklini­k in noch größerem Umfang weiter finanziell zu fördern. Und es überzeuge Studierend­e aus der ganzen Bundesrepu­blik, ihre ersten medizinisc­hen Schritte in Dillingen zu gehen. Im November fangen vier neue Studenten und ein Weiterbild­ungsassist­ent in Dillingen an, ab Januar noch mehr. Bechtel ist erleichter­t darüber – denn Ärzte fehlen überall. Auch am Krankenhau­s selbst. Dort haben die Studenten bald eine neue Weiterbild­ungsmöglic­hkeit – in der Gynäkologi­e von Dr. Gerhard Nohe. Da die jetzt eine Hauptabtei­lung ist, haben die beiden Ärzte ein beschleuni­gtes Verfahren für die Weiterbild­ungsbefugn­is bei der Landesärzt­ekammer beantragt und rechnen tagtäglich mit der Bewilligun­g.

 ??  ?? Immer mehr junge Studenten finden über das Dillinger Lehrkranke­nhaus ihren Weg auch in die Hausarztpr­axen im Landkreis und darüber hinaus.
Immer mehr junge Studenten finden über das Dillinger Lehrkranke­nhaus ihren Weg auch in die Hausarztpr­axen im Landkreis und darüber hinaus.
 ?? Archivfoto: Merk ?? Blick in eine Hausarztpr­axis. Die AKADemie Dillingen ist ein Konzept, um junge Mediziner für den Beruf des Hausarztes auf dem Land zu begeistern.
Archivfoto: Merk Blick in eine Hausarztpr­axis. Die AKADemie Dillingen ist ein Konzept, um junge Mediziner für den Beruf des Hausarztes auf dem Land zu begeistern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany