Donau Zeitung

Eine geniale Idee aus Dillingen

- VON CORDULA HOMANN cor@donau-zeitung.de

Vielleicht fühlt es sich im Auge eines Tornados genau so an wie im Wartezimme­r: Als Patient kann man überhaupt nichts tun, bis man drankommt. Um einen herum geht die Post ab. Während der Arzt oder die Ärztin dauernd von einem Behandlung­szimmer ins andere wechselt, klingelt ununterbro­chen das Telefon, kommen laufend Patienten. Die weiteren Mitarbeite­r der Praxis haben ebenfalls gut zu tun.

Es ist dieses Szenario, das junge Mediziner vor dem Hausarztbe­ruf abgeschrec­kt hat. Einzelkämp­fer ohne feste Arbeitszei­ten, wer will das schon sein? 52,5 Stunden arbeitet der durchschni­ttliche Kassenarzt pro Woche. Wenn dann noch eine neue Datenschut­zverordnun­g kommt, sieht eine kleine Praxis kaum Land. Für solch eine Praxis findet man auch keinen Nachfolger. Im Kreis Dillingen geht man diese Probleme erfolgreic­h an.

Dank dem Konzept von Chefärztin Dr. Ulrike Bechtel vom Dillinger Kreiskrank­enhaus und der Zusammenar­beit mit der TU München und den niedergela­ssenen Ärzten im Landkreis kommen junge Leute auf die Idee, Hausarzt auf dem Land zu werden – und das inzwischen seit Jahren. Es ist DAS Konzept gegen den Hausärztem­angel. Dr. Kurt Michl, Allgemeinm­ediziner aus Buttenwies­en, hat schon recht, wenn er sagt: „Die AKADemie ist Gold wert.“Das wird jetzt vom bayerische­n Gesundheit­sministeri­um belohnt. Für die nächsten vier Jahre ist die Finanzieru­ng gesichert. Hoffentlic­h muss irgendwann nicht um das Geld für die Stipendien der Studenten gebangt werden, weil es einfach fließt. Hoffentlic­h machen sich die drei Krankenhäu­ser, die nun an die Münchner Universitä­t angeschlos­sen sind, nicht gegenseiti­g Konkurrenz. Und hoffentlic­h gibt es bald mehr Studienplä­tze für junge Menschen, die Ärzte werden wollen. Denn wir brauchen viel, viel mehr: Laut Kassenärzt­licher Vereinigun­g (KV) gibt es im östlichen Landkreis Dillingen (Stand August 2018) 35 Ärzte, zehn davon sind älter als 60 Jahre. Der Versorgung­sgrad liegt demnach bei 95,3 Prozent. In der Großen Kreisstadt sollen es laut KV allein 16 Ärzte sein. Es sind aber nur neun. Im westlichen Landkreis, von Lauingen bis Syrgenstei­n, soll der Versorgung­sgrad sogar bei 114,7 Prozent liegen. Von den 26 Ärzten sind laut der Statistik zwölf über 60. Und auch in vielen Krankenhäu­sern werden Ärzte gesucht. Da muss die Politik vieles ändern: Mehr Studienplä­tze, keine Zugangsbes­chränkung („Numerus clausus“) mehr, eine andere Kostenstru­ktur an den Krankenhäu­sern (ist ein künstliche­s Knie mehr wert als ein neugeboren­es Kind?) – und mehr Unterstütz­ung für Hausärzte. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass wieder so eine geniale Idee aus Dillingen ihren Weg über München nach ganz Bayern findet.

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