Donau Zeitung

Ein Ort der Erinnerung für die Angehörige­n

Entlang der Straßen im Landkreis stehen an manchen Stellen kleine Kreuze. Die Marterl werden oft von Angehörige­n aufgestell­t – als Erinnerung an ihre verstorben­en Lieben. Ist das eigentlich erlaubt?

- VON SIMONE BRONNHUBER

Unfallkreu­ze, die am Straßenran­d aufgestell­t sind, gibt es auch im Landkreis Dillingen. Ist das überhaupt erlaubt?

Landkreis Es war der 22. April 1945. Wehrmachts­angehörige sprengten während ihres Rückzuges vor den Amerikaner­n die Donaubrück­e in Blindheim. Ein schwerer Schlag für das Dorf. War doch die um 1850 errichtete Holzbrücke für die Menschen, speziell für die Landwirte, eine wichtige Verbindung ins Donauried. Von jetzt auf gleich gab es diese Brücke nicht mehr. Doch die Blindheime­r ließen sich nicht unterkrieg­en. Schon wenige Tage nach der Zerstörung wurde mit dem Neubau der Holzbrücke begonnen. Leider kam es dabei zu einem furchtbare­n Unglück. Der Blindheime­r Zimmermeis­ter Kaspar Rößle, der die Bauleitung hatte, ertrank am 9. Mai 1945 in den Fluten der hochwasser­führenden Donau.

Wie es dazu kommen konnte, ist in der Blindheime­r Schulchron­ik nachzulese­n. Erwin Mayer, Vorsitzend­er des Heimatvere­ins Blindheim, hat nachgeblät­tert. „2020 jährt sich der Unfall bereits zum 75. Mal“, sagt er. Ein Bildstock an der Blindheime­r Donaubrück­e erinnert noch heute an diesen tragischen Tag. Das Marterl, so werden die Unfallkreu­ze am Straßenran­d bezeichnet, ist nicht zu übersehen. Mayer erzählt weiter, dass das Arbeitsflo­ß, auf dem sieben Männer mit einem Schlagwerk die Pfeiler für die Brückenjoc­he in den Grund des Flusses trieben, kenterte und zerbrach. Die Männer stürzten in die reißenden Fluten. Sechs von ihnen erreichten das rettende Ufer. Doch der Zimmermeis­ter, der nicht schwimmen konnte, ertrank. Die eingeleite­te Suchaktion blieb erfolglos. Der Verunglück­te wurde nie gefunden. „Die unter den damaligen schwierige­n Umständen errichtete Notbrücke war aber nach nur zweimonati­ger Bauzeit für die Landwirtsc­haft wieder befahrbar“, schildert Mayer. Doch die Brücke forderte ein weiteres Todesopfer.

Zehn Jahre nach dem Unglück verlor erneut ein Mensch bei Arbeiten an der Brücke sein Leben. Beim Abbruch der alten Holzbrücke, die durch ein neues Spannbeton­werk ersetzt wurde, verunglück­te im Januar 1955 der US-Soldat Franklin D. Hicks tödlich. Er hatte mit einer amerikanis­chen Pionierein­heit, die in Leipheim stationier­t war, mitgeholfe­n, mit schwerem Gerät die alte Brücke abzureißen, so Mayer, der sich noch gut daran erinnern kann. „Die Gedenktafe­l an der Donaubrück­e für den Zimmermeis­ter Rößle, die jahrelang verscholle­n war, trägt auch den Namen des amerikanis­chen Soldaten. Vom Heimatvere­in wurde sie zum 50. Jahrestag 1995 renoviert und wieder aufgestell­t. Bis zum nächsten Frühjahr soll die am Wanderweg auf dem Donaudamm stehende Eichenholz­stele, die stark Witterung ausgesetzt ist, überarbeit­et und neu beschrifte­t werden“, erzählt der Vorsitzend­e.

An Allerheili­gen beziehungs­weise Allerseele­n finden solche Marterl, wie sie in Blindheim und an vielen anderen Orten im Landkreis stehen, noch mehr Bedeutung. Die Menschen legen Blumen und Kränze nieder, gestalten diese kleinen Gedenkstät­ten speziell an diesen Tagen besonders hübsch – auf den Gräbern sowieso.

Dekan Dieter Zitzler erklärt, dass heutzutage zwar nicht mehr so viele wie früher am Feiertag in die Kirche kommen, viele sich den Gottesdien­st sogar sparen und nur bei der Gräbersegn­ung dabei sind. „Es ist aber immer wieder überrasche­nd, wie voll der Friedhof an Allerheili­gen ist. Offensicht­lich hat die Gräbersegn­ung irgendetwa­s Magisches. Da merkt man doch die alten Germanen, ganz ist der Aberglaube nicht überwunden“, sagt Zitzler und lacht. Deshalb sei für den Mensch auch das Kreuz – unabhänder gig vom Glauben – immer noch das Symbol für Trauer. „Beim Marterl ist vor allem der Ort der Erinnerung wichtig. Auch wenn Beerdigung­en immer anonymer werden, sieht man doch, dass der Mensch einen Ort braucht, wo er hingehen kann“, so der Dekan.

So wichtig die Marterl für Angehörige sind – grundsätzl­ich sind sie nicht erlaubt. Roman Bauer, Leiter der Tiefbauver­waltung am Landratsam­t Dillingen, erklärt, dass gemäß dem bayerische­n Straßen- und Wegegesetz, Art. 23, bei freien Strecken im Bereich der Anbauverbo­tszone (Kreisstraß­e 15 Meter) keine baulichen Anlagen – dazu gehören auch Kreuze – errichtet werden

Ein Bildstock an der Donaubrück­e

Verantwort­ung liegt bei den Angehörige­n

dürfen. „Ausnahmen können zugelassen werden, wenn dies die Sicherheit und Leichtigke­it des Verkehrs gestattet“, so Bauer. Im Falle von Kreuzen werde dies in der Praxis so gehandhabt. Erlaubt werden seitens der Straßenbau­verwaltung des Landkreise­s nur schlichte Holzkreuze, die den Verkehrste­ilnehmer nicht oder nur gering ablenken können und die bei einem Abkommen des Fahrzeuges von der Fahrbahn keine Gefahr darstellen.

Diese Kreuze sind möglichst weit weg vom Fahrbahnra­nd, mindestens aber außerhalb des Lichtraump­rofiles der Straße aufzustell­en. Heißt: eineinhalb Meter vom Fahrbahnra­nd. Bauer: „Auch eine auffällige Gestaltung oder Bepflanzun­g des Umfeldes vom Standort ist nicht erlaubt, um den Verkehrste­ilnehmer nicht abzulenken und um die Mäharbeite­n um das Kreuz für den Straßenbet­riebsdiens­t nicht zu erschweren.“Eine besondere Erlaubnis werde nicht erteilt, die Kreuze würden einfach geduldet.

Mäharbeite­n, die der Landkreis beispielsw­eise entlang Straßen machen muss, finden statt, aber nicht im Bereich des Kreuzes, so der Tiefbaulei­ter weiter. „Wenn sich niemand um das Kreuz kümmert, so versuchen wir Kontakt mit den Angehörige­n aufzunehme­n. Ein Kreuz muss nur dann versetzt werden, wenn die Aufstellun­g in Art und Standort vorher nicht mit dem Landkreis abgestimmt ist und aus den genannten Gründen so nicht belassen werden kann. Die Versetzung liegt in der Verantwort­ung der Angehörige­n“, erklärt Bauer.

 ?? Foto: Karl Aumiller ?? An der Donaubrück­e in Blindheim erinnert ein Bildstock an zwei tragische Unfälle. Solche Bildstöcke oder auch Marterle sind für Angehörige oftmals wichtige Erinnerung­sorte an ihre Lieben.
Foto: Karl Aumiller An der Donaubrück­e in Blindheim erinnert ein Bildstock an zwei tragische Unfälle. Solche Bildstöcke oder auch Marterle sind für Angehörige oftmals wichtige Erinnerung­sorte an ihre Lieben.

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