Sie sind wieder da
Computer-Legenden wie der C64, Konsolen-Klassiker wie die Playstation 1, Spiele-Evergreens wie Resident Evil: Was längst vergessen schien, kommt nun in einer Retro-Welle zurück. Eine charmante Zeitreise
Es ist noch nicht lange her, da fand man in die Jahre gekommene Spielkonsolen nur auf Flohmärkten. Lieblos mit ein paar Modulen und Kabeln in einen Pappkarton geworfen, interessierten sich allenfalls Nostalgiker und Sammler für die Träume längst vergangener Jugendtage. Inzwischen entdecken immer mehr junge Spieler den Charme der Klassiker, der Kunst, aus begrenzten technischen Mitteln das Maximum herauszuholen.
Auf Verkaufsplattformen wie GOG.com oder den Online-Stores auf Playstation, Xbox und Switch erfreuen sich die Blockbuster von gestern wachsender Beliebtheit. Und doch hat niemand vorhergesehen, was der japanische Gameskonzern Nintendo lostreten sollte, als er vor zwei Jahren eine MiniAusgabe seines 1985 erschienenen „Nintendo Entertainment System“, kurz NES, auf den Markt brachte. Der Nachbau der klassischen Hard- The C64 Mini, ware war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, ein „Mini SNES“nach dem Vorbild des „Super Nintendo“folgte.
Die Nachahmer ließen nicht lange auf sich warten. Auch der nicht minder legendäre Commodore 64 ist inzwischen als Schrumpf-Version erhältlich. Wie die Mini-Nintendos kann auch der im Maßstab 1:2 nachgebaute C64 nicht mit Modulen gefüttert werden. Stattdessen sind passenderweise 64 klassische Spiele vorinstalliert. Das Original aus dem Jahr 1982 ließ sich nur über externe Laufwerke mit Inhalten versorgen, interne Speicher wie heute gab es damals noch nicht.
Auch sonst hat die als „The C64 Mini“vertriebene Hardware nicht allzu viel mit dem Vorbild zu tun. Die Tastatur ist nur Deko, der Controller erreicht bei weitem nicht die Verarbeitungsqualität des legendären „Competition Pro“(links). Dafür gibt es eine integrierte App, welche die BASIC-Nutzeroberfläche simuliert. Außerdem können per USB-Stick Software- Updates durchgeführt und Spiele ergänzt werden. Aber vor allem ist der Mini-C64 ein Statement, ein Bekenntnis zu Retro, das man sich als Kultobjekt ins Regal stellen kann. Im separat erhältlichen „inoffiziellen Handbuch“erfährt man neben Tipps und Tricks zu Soft- und Hardware Wissenswertes über den „Brotkasten“der 80er-Jahre.
Auch bei Sony hat man die Zeichen der Zeit erkannt, reist aber in derselben nicht ganz so weit zurück. 1995 erschien die PlayStation in Deutschland, weltweit verkaufte sie sich mehr als 100 Millionen Mal. Gegen Ende des Jahres kommt nun auch sie als Miniatur auf den Markt – mit 20 Klassikern wie „Final Fantasy 7“, „Jumping Flash“, „Ridge Racer Type 4“, „Tekken 3“und „Wild Arms“an Bord. „Die Konsole ist etwa 45 Prozent kleiner als die PlayStation von 1994, orientiert sich sonst aber stark am Design der Originalversion“, heißt es vonseiten des Herstellers. So seien die Controller identisch, sogar die Verpackung ähnle dem Original. Für gesellige Spieler ist ein zweiter Controller im Lieferumfang enthalten.
Wird die geschrumpfte PlayStation ebenso reißenden Absatz finden wie die Nintendo-Zwerge, dürfte sie vielen zum Spielen zu schade sein. Dann wandert sie eben als schön anzusehendes Sammlerobjekt ins Regal, um dort an die Zeit vor 3D, Virtual Reality und kostenpflichtigen Zusatzinhalten zu erinnern.
Eine ganz andere Art, die Vergangenheit wiederzubeleben, demonstriert die japanische Firma Capcom. Zu deren Markenzeichen gehört die 1996 gestartete ZombieReihe „Resident Evil“, von Fans liebevoll „Resi“genannt. Der zweite Teil gilt als einer der besten der Reihe. Nun haben die Entwickler den Klassiker einer Komplettsanierung unterzogen: Die 20 Jahre alte Grafik wurde neu modelliert und in eine zeitgemäße 4K-Auflösung übertragen.
Einen wichtigen Faktor aber ließ man unangetastet. Rennen, springen und fliegen die Helden in aktuellen Action-Krachern im Sekundentakt durch die Kulissen, geht es hier vergleichsweise gemächlich zu. Zwar bewegen sich die Figuren in dem Remake merklich flinker und geschmeidiger. Doch wie im Original entstehen Gänsehaut und Spannung gerade aus den ruhigeren Momenten, in denen man nie genau weiß, in welchem Schatten die Gefahr lauert. „Was bei aktuell so beliebten Online-Kampfspielen verloren geht, ist die Kunst, Geschichten zu erzählen, eine packende Atmosphäre zu entwickeln“, sagt Claas Wolter vom „Resi“-Entwickler Capcom. „Insofern dürfte unser Remake für viele, die Ende der 90er noch zu jung dafür waren, eine ganz neue Erfahrung sein.“Damit auch Veteranen Spaß haben, wird die Geschichte neu erzählt, die Schauplätze wurden komplett umgebaut und mit neuen Rätseln und Schockmomenten präpariert.
Doch was haben Retro-Games, das aktuelle Spiele nicht haben? Zack Manko vom Entwickler Megacat Studios zählt eine ganze Reihe von Vorteilen auf. „Retro Games sind leicht zugänglich und deshalb für jeden spielbar. Sie sind einfach gehalten und haben nur zum Ziel, den Spieler bei der Stange zu halten und Spaß um des Spaßes willen zu bieten.“Das über die ganze Welt verstreute Team entwickelt SpielModule für klassische Konsolen wie Mega Drive oder NES. „Log Jammers“, ihr neuestes Werk, ist die erweiterte und überarbeitete Version des gleichnamigen für Nintendos erste Konsole erschienenen Titels – spielbar nicht auf dem Nachbau, sondern auf der Originalhardware.
Wer die nicht besitzt, kann sich das schräge Baumstamm-BalancierDuell auch auf den PC herunterladen und feststellen, wie unwiderstehlich ein simples Spielprinzip sein kann. Manko, der als Jobbezeichnung „Retro-Apostel“angibt, erklärt dazu: „Auf einem NES-Modul ist eben kein Platz für Effekthascherei und überflüssige Features wie dynamisches Bartwachstum. Das Spiel selbst muss überzeugen und dich dazu bringen, dass du immer mehr haben willst.“
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„Resi“bekam eine Komplettsanierung