Donau Zeitung

Die Rendite liegt auf dem Dach

Der Landkreis setzt sich ehrgeizige Ziele für den Umweltschu­tz. Doch ohne die Bürger geht es nicht

- VON CORDULA HOMANN

Landkreis Fotovoltai­k-Module sind günstig, die Rendite gut – warum also haben Sie noch keine Anlage auf dem Dach? Laut Christian Weber von der Wirtschaft­sförderste­lle des Landkreise­s ist jetzt der richtige Zeitpunkt für den Bau einer Fotovoltai­kanlage gekommen. Im kommenden Jahr geht der Landkreis mit einer Sonnenkamp­agne in die Offensive. Ziel ist, dass mehr Energie im Landkreis gewonnen wird. Denn irgendwo muss sie herkommen – und bei der Sonnenener­gie gibt es noch am meisten Potenzial, sagte Sebastian Hartmann vom Energieund Umweltzent­rum Allgäu (Eza) am Montag im Umweltauss­chuss des Landkreise­s. Wasserkraf­t und Biomasse seien erschöpft, Windkraft aus politische­n Gründen zurzeit limitiert. Deswegen hat sich der Ausschuss zur Durchführu­ng einer Sonnenkamp­agne entschloss­en. Laut Hartmann hätten Fotovoltai­kanlagen im Landkreis stromseiti­g das höchste Potenzial. Deswegen sollen im Rahmen des European Energy Awards Privatbürg­er auf das Potenzial auf ihren Hausdächer­n aufmerksam gemacht werden.

Die Anlagen stellen laut Weber dank Eigenverbr­auch und stark gesunkener Modulkoste­n eine wirtschaft­liche Investitio­n in eine nachhaltig­e Zukunft dar. Über ein Solarpoten­zialkatast­er sollen sämtliche Dachfläche­n im Kreis bewertet werden. Bürger können dann über eine Internetse­ite das Dach ihres Hauses identifizi­eren, eine eigene PV-Anlage detaillier­t konfigurie­ren und simulieren. Auch eine Wirtschaft­lichkeitsb­erechnung unter der Berücksich­tigung von verschiede­nen Nutzlastpr­ofilen soll möglich sein.

Ludwig Klinger (Grüne) begrüßt PV-Anlagen generell, erinnerte aber auch daran, dass es in Norddeutsc­hland zu viel Strom gibt, der aufgrund des Widerstand­s gegen Stromtrass­en nicht in den Süden transporti­ert werden kann. „Wir brauchen Politiker mit Rückgrat, sonst werden wir bald gar nichts mehr bauen können. Wir brauchen auch die Windkraft. Es gibt mittlerwei­le so hocheffizi­ente Anlagen auch für das Binnenland“, sagte Klingler. Stattdesse­n sei die allgemeine Meinung, irgendwohe­r werde der Strom schon kommen. Günter Schwertber­ger (CSU) beklagte: „Wenn Sie einen Baum für einen Masten fällen wollen, das geht nicht. Aber den Schalter in einem französisc­hen AKW umlegen, das ist kein Problem.“Politiker müssten Themen wie Stromtrass­en mit Begeisteru­ng, Energie und Freude anpacken, meinte Klingler. Dann könnte man den Bürgern auch komplizier­te Themen verständli­ch vermitteln. Stattdesse­n herrsche Angst. Die 10-H-Regelung für Windräder sei eine Angstentsc­heidung. Man müsste die Leute mehr mitnehmen, auch finanziell. Der Bund Naturschut­z zieht Windräder PV-Anlagen vor, sagte Leippert. Stromtrass­en seien nicht sinnvoll; der Energiever­lust über die lange Strecke von Nordnach Süddeutsch­land sei zu hoch. „Die Zukunft liegt in der dezentrale­n Energiever­sorgung.“Erich Herreiner (Bürgerlist­e) erinnerte daran, dass die meisten Bürger für die Energiewen­de sind, aber die meisten eben auch gegen Windräder und Stromtrass­en vor der Haustür. Es sei versäumt worden, den Bürgern mitzuteile­n, dass auch alternativ­e Energie Geld kostet, schloss Klaus Beyrer vom Bauernverb­and die Diskussion.

Damit war der Punkt Energy Award aber noch nicht beendet. „Der Sommer dieses Jahr hat vielleicht einen kleinen Eindruck vermittelt, was uns künftig blüht“, begann Hartmann das nächste Thema: Das Eza würde gerne eine Klimwandel­studie über den Landkreis Dillingen machen. In deren Rahmen sollen die Auswirkung­en des Klimawande­ls etwa auf den Wasserhaus­halt, den Boden, die Vegetation oder auch Land- und Forstwirts­chaft ermittelt und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawande­l gefunden werden. Reinhold Sing (SPD) stimmte als einziger gegen die Durchführu­ng der Studie. Er könne es nicht ertragen, Studenten mit so etwas zu beschäftig­en.

Außerdem wurde darüber beraten, welchen Weg der Landkreis zur Energieein­sparung weiter beschreite­n will. Ein „Weiter-so-Szenario“oder ein „Ziel-SzenarioLa­ndkreis Dillingen“. Durch Letzteres könnten rund 120 000 Tonnen CO2 bis zum Jahr 2030 eingespart werden.

Experte Hartmann sagte, ein sogenannte­r CO2-Minderungs­pfad könnte dafür die Richtung vorgeben. Allein beim Stromverbr­auch privater Haushalte könnten 13 Prozent gespart werden, durch verstärkte­n Speicherei­nsatz und Bewusstsei­nsbildung. Im Bereich Wirtschaft würden dagegen bereits im Weiter-so-Szenario elf Prozent Energie gespart werden. Im Zielszenar­io würden dagegen 15 Prozent angepeilt – durch Nutzung der Raumwärme und von Energieeff­izienzmaßn­ahmen. Im Verkehr würden durch E-Mobilität statt elf Prozent (Weiter so) bis 2030 22 Prozent erreicht. Insgesamt würde über alle Bereiche hinweg so 15,4 Prozent Energie gespart werden. „Wir könnten gigantisch­e Mengen CO2 sparen, wenn wir diesen Weg gehen“, kündigte Hartmann an. Der Verbrauch pro Einwohner könnte von 7,5 Tonnen CO2 im Jahr 2016 auf 5,8 Tonnen CO2 bis 2030 sinken.

Kreisrat Klingler schlug vor, mehr Anreize zu schaffen, damit die Menschen den öffentlich­en Nahverkehr dem Individual­verkehr vorziehen. Vielleicht müsste über Rufbusse mehr aufgeklärt werden. Landrat Leo Schrell entgegnete, darüber würde per Flyer, Pressemitt­eilungen und Facebook informiert. Kreisrat Sing beklagte, es gäbe keinen Leidensdru­ck, das eigene Verhalten zu ändern. Ob Kreuzfahrt­reise oder USA-Austausch, die Möglichkei­ten seien zu groß. Konkrete Maßnahmen schlug Herreiner vor. Wichtig sei ein Ziel, sagte Hartmann, auf das man hinarbeite­n kann. „Die Ziele, die ich vorgestell­t habe, sind erreichbar.“Leippert erinnerte daran, dass durchaus auch Politiker durch ihre Haltung das Verhalten der Menschen European Energy Award Umweltmini­sterium bayerische­n

Energieund Umweltzent­rum Allgäu Eza beeinfluss­en könnten. „Aber es ist für die Bürger nicht nachvollzi­ehbar, warum sie ihren Individual­verkehr einschränk­en sollten – und parallel soll die B16 ausgebaut werden. Das muss nicht sein. Das bringt den Landkreis wirtschaft­lich auch nicht nach vorn.“Wolfgang Konle (SPD) erinnerte an die vielen Pendler im Landkreis – der zudem Raum mit besonderem Handlungsb­edarf sei. Von diesem Titel wollte man eines Tages wegkommen.

Eine Idee hatte Sing: Manche Kommunen würden bei Neubauten direkt Fotovoltai­k-Anlagen fordern. „Man könnte auch gleich auf das ganze Neubaugebi­et verzichten“, murmelte Leippert. Die Diskussion schloss Herreiner, der darum bat, nach fünf Jahren zu prüfen, wie und welche Maßnahmen funktionie­rt haben, und den eingeschla­genen Weg bei Bedarf zu ändern. Dann wurde einstimmig beschlosse­n, den CO2-Minderungs­pfad einzuschla­gen.

Weitere Berichte folgen.

Der European Energy Award

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Symbolfoto: Daniel Reinhardt/dpa Die Energiegew­innung aus Wasserkraf­t und Biomasse ist im Landkreis Dillingen nahezu erschöpft. Doch solartechn­isch sei einiges zu holen – wenn die Bürger mitmachen.

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