Österreich macht dicht
Der Ton verändert sich. Auch gegen eine international geregelte Zuwanderung aus den ärmeren Staaten der Welt gibt es nun Widerstände. Die Alpenrepublik steigt als EU-Ratsvorsitzender aus dem UN-Migrationspakt aus
Österreich verweigert dem Migrationspakt der UN die Unterstützung. Damit reiht es sich in die Phalanx aus den USA, Ungarn und Australien ein. Die rechtskonservative Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz hat dem Druck nachgegeben, der seit Monaten aus der rechtspopulistischen FPÖ mit Unterstützung der rechtsextremen identitären Bewegung aufgebaut wird.
Im Juli hatten Vertreter von mehr als 190 UN-Mitgliedstaaten die Verhandlungen zum Migrationspakt abgeschlossen. Das Papier soll am 11. Dezember in Marrakesch feierlich unterzeichnet werden. Bei der für kommendes Jahr vorgesehenen Abstimmung in der UN-Generalversammlung will sich Österreich der Stimme enthalten. International stößt der Beschluss auf heftige Kritik; denn der Pakt soll die Staaten endlich handlungsfähig in puncto Migration machen.
Mehr als 200 Millionen Menschen werden in den kommenden Jahren ihre Heimat verlassen. Um als Staatengemeinschaft damit umgehen zu können, formuliert die Vereinbarung einen Kooperationsrahmen für die Zukunft. Transparente Verfahren sollen die Rechtssicherheit erhöhen und eine geordnete Migration ermöglichen. Der Pakt gibt Empfehlungen ab und ist nicht rechtsverbindlich. Seine Basis ist das geltende Recht. Der Unterschied zwischen Flüchtlingen mit Anspruch auf den Schutz des internationalen Flüchtlingsrechtes und Migranten wird deutlich hervorgehoben. Für Migranten gelten die allgemeinen Grund- und Menschenrechte.
Der 34 Seiten und 23 Ziele umfassende Entwurf befasst sich neben der Bekämpfung von Fluchtursachen auch mit der Koordinierung von Maßnahmen gegen Schleuser und zur Lebensrettung. Erörtert werden viele praktische Aspekte der Migration, etwa wie Migranten versorgt werden können, welchen Zugang zum Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem und zur Bildung sie bekommen können. Freiheitsentzug und Internierung sollen nur als letzte Mittel und nach rechtsstaatlichen Verfahren möglich sein.
Obwohl österreichische Diplomaten bis zuletzt auf Weisung der von der FPÖ in die Regierung gesandten Außenministerin Karin Kneissl an den Verhandlungen beteiligt waren, stellt sich Wien jetzt dagegen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sagte Donnerstag nach der Kabinettssitzung, in der der Rückzug Österreichs beschlossen wurde: Ein Beitritt zum Pakt „wäre ein Bruch der Regierungsvereinbarung“, also des Koalitionsvertrages, gewesen. Kanzler Kurz habe die Kritik seiner Rechtspartei geteilt, sagte Strache.
Zahlreiche FPÖ-Politiker feierten den Rückzug aus dem Pakt als großen Erfolg. FPÖ-Fraktionschef Walter Rosenkranz bezeichnete dies als „wichtigen Schritt zur Wahrung der österreichischen Souveränität“.
Er führt die Öffentlichkeit damit in die Irre; denn der Pakt gesteht den Unterzeichnerstaaten ausdrücklich volle Souveränität zu. Er bekräftigt „das Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen“. Sie können zwischen legaler und illegaler Migration unterscheiden und die „Bestimmungen zur Einreise, Aufenthalt und Arbeit in Einklang mit dem Völkerrecht selbst festlegen.“
Kurz lehnt einzelne Punkte ab und argumentierte, aus der Anwendung des Paktes könne Völkergewohnheitsrecht entstehen. Das wolle Österreich vermeiden. Noch 2017 hatte er als Außenminister vor der UN-Vollversammlung gesagt: „Ich begrüße, dass die Vereinten Nationen einen Migrations- und Flüchtlingspakt erarbeiten. Das wird sicherstellen, dass es eine geordnete internationale Herangehensweise an diese Herausforderungen gibt.“
UN-Generalsekretär Antonio Guterres und der Chef der EUKommission, Jean-Claude Juncker, bedauerten den Rückzug Österreichs. Es sei „ein Unding“, dass die EU nicht einheitlich aufträte. Die deutsche AfD-Politikerin Alice Weidel lobte Österreich dagegen und forderte, Deutschland solle sich Österreichs Vorbild anschließen. Sie greift damit eine Ankündigung Straches auf, der von einer „Vorbildwirkung“Österreichs sprach und seine Hoffnung ausdrückte, dass andere Staaten dem Ausstieg folgen.