Was für ein Gesicht soll der Gasteig erhalten?
Sanierung In München soll das in die Jahre gekommene Kulturzentrum generalüberholt werden. Der Stadtrat hat sich auf einen Architekten-Entwurf festgelegt. Anderen Architekten gefällt das gar nicht
München Diese Stadt tut sich schwer mit ihren Kulturbauten. Gerade ein Jahr ist es her, dass man sich in München nach langem Hin und Her auf den Standort für einen staatlicherseits neu zu bauenden Konzertsaal festgelegt hat – der nun nahe dem Ostbahnhofs entstehen soll. Und jetzt gibt es Hickhack um die zweite große Münchner Kulturbaustelle, um den Gasteig, der unter seinem Dach die Münchner Philharmoniker mitsamt Konzertsaal (Philharmonie), die Stadtbibliothek sowie die Volkshochschule vereint.
Den durch seine hoch aufragende Backsteinfassade trutzig anmutenden Gasteig gibt es seit 1985. Mittlerweile ist die kommunal getragene Kulturburg, jährlich von 1,8 Millionen Besuchern frequentiert, in die Jahre gekommen. Nicht nur, was die Funktionalität des Gebäudes betrifft – ein Thema seit Bestehen des Gasteigs ist die verbesserungsbedürftige Akustik der Philharmonie –, sondern auch hinsichtlich der inzwischen gewandelten Nutzeransprüche. So wurde eine Generalsanierung beschlossen und dafür, wie bei Vorhaben dieses Volumens üblich, ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die Entscheidung fiel im vergangenen Frühjahr – und war doch keine Entscheidung, weil die Wettbewerbsjury sich nicht auf einen einzigen Sieger festlegte, sondern drei gleichrangige Preise vergab.
Schon während dieser Phase zeichnete sich ab, dass bei der Festlegung, welches Architektenbüro am Ende die Sanierung vornehmen würde, folgender Aspekt eine entscheidende Rolle spielen würde: der Urheberschutz, beansprucht vom Architektenteam Raue, Rollenhagen, Lindemann und Grossmann, das zu Beginn der 1980er Jahre den Gasteig entworfen hatte. Gilt doch das Urheberschutzgesetz nicht nur für Werke der Literatur und Musik, sondern auch für die Baukunst, jedenfalls wenn ein Gebäudeentwurf als eigenständige schöpferische Leistung zu erkennen ist. Was den damaligen vier Architekten niemand absprechen will.
Für den Oktober war nun die Entscheidung angesetzt, welcher der drei inzwischen überarbeiteten Siegerentwürfe letztlich realisiert werden soll. Zwischenzeitlich aber hatten zwei der Architekten aus den 80er Jahren in einer Denkschrift ihre Einwände gegen die Sanierungspläne formuliert. Tatsächlich sehen die Entwürfe der Büros Auer Weber (München), Henn (München) und Wulf (Stuttgart) allesamt erhebliche Eingriffe in den Bestand des Gebäudes vor. In ihrer Denkschrift ist es den architektonischen Vätern des Gasteigs beispielsweise wichtig, dass der Charakter der Bastion, der Abschottung des Hauses außen zu zwei verkehrsreichen Straßen hin, erhalten bleibt. Eben diesen Burgcharakter aber brechen die im Frühjahr gekürten Siegerentwürfe auf – geleitet vom Gedanken, dass es heutzutage als vornehmste Aufgabe von Kulturbauten gilt, sich nach außen hin zu öffnen und Schwellenängste möglichst gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Vor drei Wochen nun hat sich der Münchner Stadtrat auf einen der drei verbliebenen Entwürfe festgelegt. Gebaut werden soll, mit einem voraussichtlichen Finanzaufwand von mindestens 450 Millionen Euro, der Entwurf des Büros Henn. Dessen markantester Eingriff in den Bestand ist ein auskragender Glaskörper, der sich an der Seite des Gasteigs entlangzieht. Vom Architekten als „Kulturbühne“bezeichnet, verbindet er die verschiedenen Angebote des Gebäudes miteinander und zweifellos kommt diesem Glasband eine starke Mittlerfunktion zwischen Innen und Außen zu. Gasteig-Geschäftsführer Max Wenach ber ist denn auch hochzufrieden mit der Entscheidung und schwärmt von einem „architektonischen Markenzeichen, das weit über Münchens Grenzen hinaus strahlen wird“.
Dass die unterlegenen Büros andere Empfindungen hegen, versteht sich von selbst. Doch noch ein anderes kommt erschwerend hinzu. Schon vor der Stadtratsentscheidung war durchgesickert, dass die Urheber der bisherigen Gasteig-Architektur wohl einzig den Entwurf des Büros Henn für diskutabel halten und hier nicht von vornherein die Entstellung ihres Urkonzepts befürchten. Eben diese ruchbar gewordene Einschätzung aber nährt nun bei den unterlegenen Büros Auer Weber bzw. Wulf den Verdacht, dass die Entscheidung von vornherein festgestanden habe. Weshalb sie die Vergabekammer Südbayern einschalteten, damit diese Instanz das Verfahren durchleuchten möge.
Womit man sich wieder an die Geburtswehen beim Münchner Schwesterprojekt, dem Münchner Konzerthaus-Neubau, erinnert fühlt. Auch da hatte ein Architekt,
Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen
Stephan Braunfels, die Vergabekammer angerufen, in seinem Fall, weil er seine Nichtberücksichtigung zum Wettbewerb nicht hinnehmen wollte. Braunfels wurde abgewiesen, auch später noch vom Oberlandesgericht – eine Instanz, die theoretisch auch noch den bei der Gasteig-Entscheidung leer ausgegangenen Büros offensteht.
So oder so, die Gasteig-Sanierung, während der sämtliche Nutzer des Hauses in Ausweichquartieren unterkommen müssen, wird sich erst einmal weiter verzögern. Und gar nicht absehbar ist, welche Probleme die noch ausstehenden Konsultationen mit den Architekten des bisherigen Gasteigs mit sich bringen werden, die bei den am Ende faktisch realisierten Plänen noch ein Wörtchen mitreden wollen. Fünf Jahre sind nach derzeitigem Stand für die Generalsanierung geplant. Schau mer mal, wann der altneue Gasteig die Tore öffnen – und wie er dann aussehen wird.