Die Zeit der Haarspalter
Es heißt: Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern.“Das schrieb Schiller. Heute behaupten alle Medien, dass wir ein gespaltenes Volk sind. Donald Trump, die Asylantenfrage, Friedrich Merz und der Dieselmotor erweisen sich als besonders wirksame Spaltstoffe.
Trotz erlebter Spaltung in Bundesrepublik hüben und DDR drüben ist die Politik von der neuerlichen Spaltbarkeit der Volksseele überrascht. Aber schon flüstern die professionellen Besänftiger durch jeden Türspalt ihre Beruhigungen: Auch in der Kunst erzeuge erst der Zwiespalt von Hell und Dunkel die richtige Bildspannung. Und korrekte Spaltung sei nicht nur beim Holzhacken erwünscht. Auch das hitzige Zwiegespräch zwischen Ehepartnern lebe von gespaltenen Ansichten. Schlimmer als die nationale Spaltung seien gespaltene Fingernägel und gespaltene Haarspitzen.
Nun wollen wir hoffen, dass diese Textspalte keine weitere Spaltung der Meinungen insbesondere unter Haarspaltern erzeugt. Eine dauerhafte Volksspaltung ist jedenfalls ein Zeichen der Schwäche. Vielleicht liegt es daran, dass die Fußballer der Nationalmannschaft und die Problemlöser der Europäischen Union im vergangenen Jahr keinen spaltbreit vorangekommen sind. Die Ursache kannte schon der Theologe Johann Arndt, als er 1610 folgenden Satz veröffentlichte: „Dieweil die höchste Stärcke aus der Einigkeit kömpt, die Schwachheit aber aus der Spaltung / so folget / das je grösser Einigkeit ist / je grösser ist die Stärcke.“