Donau Zeitung

Sie sehnt sich nach einem „Leben nach der Merkel“

Auszeichnu­ng Wie sich die Kanzlersou­ffleuse von ihrer Chefin befreit und warum die politische Kabarettis­tin Simone Solga den Schwäbisch­en Kabarettpr­eis 2018 erhält

- VON HANS GUSBETH

Frauenried­hausen Sie musste es geheim halten. Denn die Kanzlersou­ffleuse war auf der Flucht. Sie hatte die „Balkanrout­e über Höchstädt“genommen. Jetzt bat sie sogar um Asyl. Und das ausgerechn­et in Frauenried­hausen, im „weißblauen Schurkenst­aat“. Sie war in Not und „wer außer ein Mensch in tiefster Not kommt freiwillig nach Frauenried­hausen“?

Vielleicht, weil das TiF kaum größer als ein Souffleurk­asten ist, in dem man es sich so richtig hyggelig einrichten kann, zumal als Souffleuse. Dabei hatte sie in ihrem Fluchtplan im Internet gezielt falsche Fährten gelegt. Da stand: 22.11. Linz, danach 23.11. Thaddäus Kaisheim und dann 28.11. VillingenS­chwenninge­n. Vom 24.11. Frauenried­hausen

„… die letzte sinnvolle Art von Gottesdien­st. Man hört sich brav die Moralpredi­gt an und geht dann geläutert nach Hause“.

– keine Spur. Und doch hinterließ sie am Samstagabe­nd im lange ausverkauf­ten Theater des Lauinger Stadtteils deutliche Spuren, trotz Schuhgröße 34 – ziemlich deutliche sogar.

Denn die Solga ist anders. Sie ist ostsoziali­siert. Die Frau aus Leipzig spielt nicht die Besserwess­i-Kabarettis­tin, die dem Zuhörer, vorzugswei­se im TV, zeigt, wo es links lang zu gehen hat. Ossis hätten längst begriffen: „Der Sozialismu­s macht am meisten Spaß, wenn man selber nicht davon betroffen ist.“Die Lehren, die sie als Ostdeutsch­e gezogen habe, findet sie heute wieder aktuell: „Keine Fragen stellen, auch wenn links und rechts alles den Bach runter geht.“

Wie eine „Pumpgun“des verletzend­en Wortes ballert sie frei Schnauze die aktuellen Politaufre­ger raus, lässt nichts und niemanden ungeschore­n: Pegida, AfD, völkisch, Flüchtling­sströme, herkunftsv­ariable Neubürger, Burka, Obergrenze, verwirrte Einzeltäte­r. Schon hat sie nachgelade­n. „Nazis vor die Wahl gestellt: Entweder rassisch überlegen oder Bernd Höcke.“Der Querschläg­er zischt am Ohr vorbei, fast könnte man ihn überhören. Die Solga spielt mit den West-Stereotype­n über den ganz nahen Osten und mit den Ostklische­es vom wilden Westen: „Nicht alles in der BRD war schlecht“.

Dabei spürt man, dass sie die Welt aus der Sicht des kleinen Mannes zu deuten versucht. Dass sie Fragen stellt, die schon früh am Stammtisch gestellt aber nie beantworte­t wurden. Die Frau aus Leipzig löckt gegen den Mainstream­Stachel. Deshalb mag Frau Solga auch kein urbanes Emanzenges­chwafel. Und die „gender pay gap“fokussiert­e Quotenfrau will sie schon gar nicht spielen. „Was ist wahre Gleichbere­chtigung? Wenn Frauen genauso inkompeten­t sind wie die meisten Männer und trotzdem die gleiche Kohle kriegen.“Wieder klingelt das Handy, doch die Souffleuse will nicht mehr einflüster­n, weil es vergebens scheint. Sie sehnt sich nach einem „Leben nach der Merkel“. Der Zeitpunkt könnte günstiger nicht sein.

Und da die Solga gerne austeilt, gibt sie bei ihrem grandiosen Auftritt auf der kleinsten Bühne Deutschlan­ds auch dem Publikum noch etwas mit auf den Weg. Politische­s Kabarett sei „die letzte sinnvolle Art von Gottesdien­st. Man hört sich brav die Moralpredi­gt an und geht dann geläutert nach Hause.“

 ?? Foto: Hans Gusbeth ?? Um Asyl in Frauenried­hausen bat am Samstag die „Kanzler-Souffleuse“Simone Solga. Sie hatte sich im Kanzleramt das LunchPaket von Peter Altmaier geschnappt und im Theater in Frauenried­hausen verzehrt.
Foto: Hans Gusbeth Um Asyl in Frauenried­hausen bat am Samstag die „Kanzler-Souffleuse“Simone Solga. Sie hatte sich im Kanzleramt das LunchPaket von Peter Altmaier geschnappt und im Theater in Frauenried­hausen verzehrt.

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