Chinesen begehen den zweiten großen Fehler
Die Asiaten hätten die Finger von Kuka lassen sollen. Dadurch haben sie nur Vorbehalte provoziert. Dass Konzernchef Reuter geht, beschädigt weiter das Vertrauen
Der Abgang von Till Reuter an der Kuka-Spitze beschert den chinesischen Eigentümern ein gewaltiges Problem. Dann nun brodelt es endgültig bei dem von ihnen übernommenen Roboterbauer. Jetzt ist die Symbolfigur, ja aus Sicht der Beschäftigten der Schutzwall gegen ein stärkeres Durchregieren der Asiaten in Augsburg weg. Die rund 4000 in der Stadt bei dem Konzern beschäftigten Frauen und Männer dürften zutiefst verunsichert sein, auch wenn der angesehene und sympathische Finanzvorstand Peter Mohnen zunächst das Ruder übernimmt.
Doch Reuter ist eine Symbolfigur für die Mitarbeiter: Er hat den Konzern 2009 vor dem Abgrund bewahrt, die Banken zu einer weiteren Finanzierung überredet und den Automatisierungs-Spezialisten strategisch geschickt zu immer neuen Höhen geführt. Bald galt Kuka als technologisches Aushängeschild Deutschlands, als Firma, die wie wenige andere für Industrie 4.0, eben die Hochzeit von Automatisierung und Digitalisierung, steht. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel suchte die Nähe zu Kuka. Sie zollte den Augsburgern und Reuter auch durch ihren Besuch im schwäbischen Stammwerk Respekt. Die Firma wurde wie Siemens im Großen eine Art technologisches Kronjuwel Deutschlands.
Wer politisch geschickt agiert, vergreift sich nicht an diesem Allerheiligsten, auch wenn er wie der chinesische Haushaltsgeräte-Hersteller Midea die immense Summe von mehr als 4,5 Milliarden Euro für Kuka aufgebracht hat. Selbst für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass der chinesische Konzern als vom Staat gänzlich unabhängiger Investor gehandelt hat, wäre es für Peking klug gewesen, die MideaEroberer zurückzupfeifen. Doch es ist ohnehin der Eindruck entstanden, die Kuka-Übernahme sei gezielt auch auf politischen Druck aus China ausgeheckt und durchgezogen worden. Schließlich gehört die Robotik zu den Branchen, die der Staat stark ausbauen will – und das geht nicht ohne Übernahmen.
Der Griff nach Kuka ging aber schon bald nach hinten los. Die Bundesregierung ist nach langem Schlaf aufgewacht und knüpft aufgrund des Kuka-Schocks Übernahmen an strengere Bedingungen. Wenn der Kaufhunger der Asiaten nicht nachlässt, drohen sicher weitere Restriktionen. So wäre es für Peking insgesamt vernünftiger gewesen, auf Kuka zu verzichten.
Die Asiaten konnten dennoch nicht widerstehen und haben den zweiten großen Fehler begangen. Denn durch die Vertreibung Reuters werden Gerüchte noch lauter, nach denen die Midea-Männer die Macht bei Kuka ganz an sich reißen und damit nach China ziehen wollen. Dann werden trotz aller aktuellen Beteuerungen weitere Zweifel aufkommen, ob die bis 2023 geschlossene Investorenvereinbarung wirklich haarklein eingehalten wird. Nach dem Vertrag sind der Standort Augsburg und die Jobs eigentlich viele weitere Jahre garantiert. Und es war ja Reuter, der das einst gefeierte Abkommen mit den Chinesen ausgehandelt hat. Es galt stets als Faustpfand gegenüber allen asiatischen Begehrlichkeiten. Insofern hätten die Midea-Manager alles daran setzen müssen, Reuter zu hegen und zu pflegen. Das haben sie nicht getan und „Mister Kuka“, den Mann mit der orangenen Krawatte, verärgert. Das wird den Chinesen auf Dauer schaden.
Am Ende stellt sich die Frage, ob es auch aus Sicht der Strategen in Peking nicht klüger wäre, die KukaMacht zu teilen und einen zweiten, europäischen Investor an Bord zu holen. Denn wenn es so weitergeht, werden deutsche Kunden aus der Autoindustrie hellhöriger. Sie setzen dann wohl verstärkt auch auf andere Roboterhersteller, um nicht zu sehr von dem chinesischen Produzenten abhängig zu sein.
Reuter war eine Art Schutzwall