Keiner bio, oder was?
Landwirtschaft Im Landkreis Dillingen gibt es weniger Biobauern als drum herum. Jetzt deutet sich ein Umschwung an
Landkreis Kreisrat Wolfgang Konle ist zwar bei der SPD, doch er hat ein besonderes, ein grünes Anliegen. Denn im Landkreis Dillingen gibt es im Schnitt weniger Biobauern als im Rest Schwabens. Das wollte der Höchstädter ändern, indem Biobauern vom Kreis besonders geehrt werden. Sein Anliegen scheiterte im Umweltausschuss (wir berichteten). Doch warum gibt es so wenige Biobauern? Landrat Leo Schrell führte das in der Sitzung auf die Bewirtschaftung zurück: Im Allgäu mit Grünlandbewirtschaftung sei bio einfacher als in Nordschwaben mit Ackerbau.
„Die Antwort ist teils richtig“, sagt BBV-Geschäftsführer Eugen Bayer. Bei Gründlandbewirtschaftung sei chemischer Pflanzenschutz kein Thema und die Gülledüngung unkompliziert. Bei Ackerbau spricht er dagegen von Hürden wie Beikrautregulierung. Doch die oberste Prämisse sei Wirtschaftlichkeit. Wenn sich die Umstellung nicht lohnt, komme sie laut Bayer nicht infrage. Auch Ottmar Hurler, Abteilungsleiter Landwirtschaft am Wertinger Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), kennt das „wahnsinnige Gefälle“von Süd nach Nord. Im Allgäu und in Oberbayern mit einem hohen Anteil an Milchvieherzeugung seien Biobauern wesentlich stärker vertreten als nördlich davon. Der Landkreis Dillingen stünde im Vergleich mit ähnlich strukturierten Regionen, etwa dem Kreis Aichach-Friedberg, statistisch weder besser noch schlechter da. Doch sowohl Bayer als auch Hurler stellen derzeit eine Trendwende fest: Immer mehr Landwirte im Landkreis Dillingen stellen auf bio um.
Das AELF bietet deswegen zum ersten Mal ein Ökoseminar zu dem Thema in Blindheim an (siehe Infokasten). Hurler spricht von einer richtigen Welle der Umstellung in diesem Jahr. „Aktuell haben wir wie- der vier Anträge größerer Betriebe, die umstellen wollen.“
Zwei Landwirte aus der Region befinden sich derzeit in so einem Umstellungsprozess. Das konnten sich beide bis vor wenigen Jahren überhaupt nicht vorstellen. Der eine ist 39 Jahre alt, bewirtschaftet einen reinen Ackerbaubetrieb und wollte mehr Wertschätzung für sich und seine Arbeit. Der andere ist 60 Jahre alt, gibt seine Tierhaltung gerade komplett auf und überlegt, was er dann mit den leeren Ställen anfängt. Das ist der Wittislinger Ulrich Mayerle. Der andere ist Max Kirner aus Roggden. „Ich hab viel Geld in den Betrieb investiert“, erzählt Mayerle, „doch am Ende des Tages fehlte die Akzeptanz. Mit der Kritik wird man nicht mehr fertig. Wenn ich mit der Pflanzenschutzspritze durch den Ort fahre, weiß ich doch, was die Leute denken.“Das tat weh. Dazu kam die Sache mit dem Rapsöl: Das lokal erzeugte Produkt der Rapserzeugergemeinschaft unter Mayerles Vorsitz bekam vergangenes Jahr Konkurrenz aus Argentinien. Die Preise fielen. „Ich konnte nichts verdienen, obwohl wir ein hervorragendes Produkt hergestellt hatten und der Rapsverbrauch in Deutschland gar nicht gedeckt ist.“
Mayerle traf sich mit Franz Högg. Der hilft Bauern in ganz Schwaben, die ihren Betrieb umstellen wollen. Auch er weiß, wie sehr die Landwirte unter mangelnder Wertschätzung leiden. Weitere Ursachen seien die Resistenzbildung von Unkräutern, Abstandsregelungen, Einschränkungen bei Pflanzenschutzmitteln oder das Insektensterben. „Die Stellung der konventionellen Landwirtschaft in der Öffentlichkeit wird schwerer. Das belastet die Bauern und trägt auch dazu bei, dass sie eine Umstellung nachdenken“, sagt Högg. Doch am wichtigsten sei die Wirtschaftlichkeit. In Wittislingen saß der Berater vom Fachzentrum Ökologischer Landbau vom AELF Kaufbeuren zweieinhalb Stunden mit Landwirt Ulrich Mayerle zusammen. Der sagt: „Danach wusste ich, was passieren muss, damit ich meinen Hof biologisch führen kann.“Dann habe, so sagt der Wittislinger Gemeinderat, ein Prozess bei ihm eingesetzt, der sechs Wochen dauerte, bis die Entscheidung zur Umstellung fiel. Damit hat sich einiges geändert: „Man muss viel mehr denken, mehr Technik einkaufen. Ich probiere neue Kulturen aus. Man braucht ein Gefühl für Ackerbau, Boden und Saat. Man will ja auch ein Einkommen haben. Das ist nicht einfach“, erzählt der 60-Jährige. Vorher griff er bei Unkraut zu einem Pflanzenschutzmittel. Jetzt lässt er den Mohn blühen. Zudem ändern sich die langjährigen Handelspartner, sowohl beim Einals auch beim Verkauf. Man müsse gewohnte Wege verlassen. Jeder Tag sei eine Herausforderung. Doch nur so könne er der nächsten Generation guten Gewissens den Hof übergeben.
Einer, der dabei hilft, ist Hans Mack, seit 19 Jahren Biobauer in Haunsheim und inzwischen Bioregiobetrieb. Der Trend bei bio gehe allgemein nach oben, sagt Mack. Er warnt aber auch: In einem Ackerlandbetrieb sei die Umstellung nicht einfach. Um Schädlinge und Unkraut zu vermeiden, sei die Fruchtfolge wesentlich vielfältiger als im konventionellen Anbau. Und was produziert wird, muss auch verkauft werden – aber nicht alle Verbraucher seien bereit, dafür mehr Geld auszugeben. Ulrich Mayerle findet, das muss sich ändern: „Wir brauchen die regionale Produktion und den regionalen Handel.“Jeder Verbraucher habe eine Verantwortung dafür, was er kauft und wo: Ob die Schuhe aus dem Internet so oft bestellt werden müssen, bis sie endlich passen? Müssen täglich so viele Lebensmittel weggeschmissen werden? Wissen wir, welche Auswirkungen auf unsere Gesundheit industriell veränderte Produkte überhaupt haben – „Wie bewusst ist uns denn, was wir konsumieren?“, fragt der Landwirt. Mayerle liebt die täglichen gemeinsamen Mittagessen aus regionalen Lebensmitteln, daheim mit der Familie. Da werde eifrig diskutiert, auch mit den jungen Auszubildenden. Für die sei bio teils ganz weit weg.
Max Kirner ging es auch so, sagt er. „Mit 20 Jahren dachte ich: Bio, niemals, da verhungern wir alle. Aber jetzt sehe ich die geistige Herausforderung und ein Riesenpotenzial.“Der Familienvater beschäftigt sich intensiv mit seinem Boden. Er denkt, dass dieser langfristig durch schweres Gerät oder Chemie geschädigt wird. „Doch diese 30 Zentimeter Erde oben drauf ernähren uns.“Also fährt er jetzt nur noch mit angeüber passtem Reifendruck auf den Acker. Bodenschonende und humusaufbauende Wirtschaftsweise haben höchste Priorität. Er sieht sich als Freigeist und richtet sich mit vielen Arbeiten seit Jahren nach dem Mondkalender – immer mit dem Ziel, mehr Ertrag durch weniger Aufwand zu erzielen. Aber vor allem hat sich Kirner zuvor ausgerechnet, ob die Umstellung überhaupt funktionieren kann. Er bekomme mehr Anerkennung und mehr Verdienst. Da stören ihn auch ein paar Kritiker nicht, die davon ausgehen, dass er mit Bio bald pleite ist. Nein, sagt Kirner, im Gegenteil. Hätte er gewusst, was für ein gutes Gefühl es ist, biologisch zu wirtschaften, hätte er das schon früher gemacht. Die Familie kauft wenn möglich regionale Biolebensmittel. Und als die Tochter fragte, warum der Vater nicht auch Kartoffeln anbaut, wurde das ebenfalls umgesetzt. Weiteres Gemüse kam dazu. Abnehmer dafür hat Kirner unter anderem in einer Schulküche gefunden. Angebaut werden noch Getreide und Leguminosen, wie Bohnen und Erbsen. Ab nächstem Jahr will sich der 39-Jährige an Bio-Zuckerrüben versuchen. Wer da auf Bio setzt, muss anpacken, denn ohne Pflanzenschutzmittel muss das Unkraut manuell entfernt werden. Kirner will dafür mit anständigem Stundenlohn einheimisches Personal gewinnen. „Vielleicht ist es utopisch, aber es wäre bestimmt toll für eine gute Stimmung.“Zumindest sind laut Fachberater Högg die Verdienstmöglichkeiten bei BioRüben zurzeit so gut – selbst wenn man Mitarbeiter beschäftigen muss, die das Unkraut entfernen –, dass deswegen auch konventionelle Landwirte über eine Umstellung nachdenken. Kirner findet, wer Anerkennung in der Gesellschaft will, der kommt nicht an Bio vorbei. Mayerle meint: „Ich will nicht sagen, andere machen es falsch, aber ich mache es so.“
„Mit 20 Jahren dachte ich: Bio, niemals, da verhungern wir alle.“
Max Kirner aus Roggden
» Unter www.donau-zeitung.de können Sie die Zahl der Biobauern in den schwäbischen Landkreisen vergleichen.