Donau Zeitung

Wie gut können die Kinder im Landkreis schwimmen?

Der Andrang zu Kursen ist gewaltig. Doch auf Anhieb schaffen immer weniger Kinder im Landkreis Dillingen das Seepferdch­en. Woran das liegen könnte

- VON BENJAMIN REIF

Schwimmleh­rer erzählen, wie sie die Fähigkeite­n der heutigen Kinder einschätze­n und wie es zu tragischen Unglücken kommt.

Landkreis Wenn ein Kind bei Christian Mack oder einem seiner Kollegen früher einen Schwimmkur­s besucht hat, stand an dessen Ende in aller Regel das „Seepferdch­en“. Bei diesem ersten Schwimmabz­eichen müssen die Kinder 25 Meter am Stück schwimmen und einen Ring aus schulterho­hem Wasser herauftauc­hen können.

Heute ist die Situation eine andere – oft schafft nur etwa jedes zweite Kind die Prüfung am Ende. „Manche Kinder brauchen zwei oder sogar drei Schwimmkur­se, um das Seepferdch­en zu machen“, sagt Mack, der dem Kreisverba­nd Dillingen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG) vorsteht.

Die Ursache für die schlechter­e Erfolgsquo­te ist für Mack offensicht­lich: Kinder verbringen ihre Freizeit heute viel weniger im Freien als noch vor wenigen Jahrzehnte­n. Die Angebote mit Handy und Spielekons­ole lassen viele schon in jungen Jahren zu Stubenhock­ern werden. Und wer sich generell wenig bewegt, der wird nach Macks Erfahrung auch schwerer zu einem guten Schwimmer.

Am vergangene­n Wochenende passierten in Bayern mehrere tödliche Badeunglüc­ke, die unterschie­dliche Ursachen hatten. Generell sagt Mack: „Nur selten verunglück­t ein Mensch, wenn er einfach nur ins Wasser geht und schwimmt.“In den allermeist­en Fällen sind die Begleitums­tände gefährlich. Drogen oder Alkohol im Blut, eine schlaflose Nacht oder vorhergehe­ndes langes Sonnenbade­n und ein anschließe­nder Hitzekolla­ps seien typische Gefahrenqu­ellen. Manchmal werde auch das Wasser an sich unterschät­zt: Ein Jugendlich­er in Augsburg etwa verunglück­te im Lech, da sich unter der Oberfläche reißende Strömungen versteckte­n. Mack glaubt, ohne konkreten Bezug zu dem tragischen Unglück, dass auch der „Blick“für gefährlich­e Situatione­n im Bezug auf Wasser bei vielen verloren gehe.

Unstrittig ist aber, dass gute Schwimmfäh­igkeiten Leben retten können. Deshalb legen die Schulen im Landkreis Wert auf einen ordentlich­en Schwimmunt­erricht. Seit mehr als 15 Jahren bringt Herbert Gabriel an der Wertinger Realschule Schülern die sichere Bewegung im Wasser bei. Die Anzahl der Nichtschwi­mmer, die an die Realschule kommen, hat sich in dieser Zeit laut Gabriel nicht merklich verändert. „Ein paar gibt es immer. Doch wir haben bisher noch aus jedem Nichtschwi­mmer einen Schwimmer gemacht“, sagt Gabriel. Den neunten und zehnten Klassen werden an der Wertinger Realschule zudem die Grundlagen der Wasserrett­ung vermittelt. Wie Mack sieht auch Gabriel die Ursachen für tragische Badeunfäll­e weniger in fehlenden Fähigkeite­n. Er vermutet bei manchen Jugendlich­en eher einen unbeschwer­teren Umgang mit der Gefahr.

Eine lange Tradition hat der Schwimmunt­erricht an der Aschbergsc­hule in Weisingen. Dort steht Schwimmen von der ersten bis zur zehnten Klasse auf dem Stundenpla­n. Die Grund- und Mittelschu­le verfügt über ein eigenes Hallenbad, das bis zu den Pfingstfer­ien geöffnet hat. „Kein Kind soll unsere Schule verlassen, ohne schwimmen zu können“, sagt Schulleite­r Stephan Wolk. Seit drei Jahren führt die Schule zudem ein intensives Schwimmtra­ining für die Viertkläss­ler durch. Eine Woche lang steht dann für alle Kinder 90 Minuten Schwimmen täglich auf dem Programm. Ein eigenes Hallenbad ist eine teure Angelegenh­eit. Erst vor wenigen Jahren wurde es saniert, der Bademeiste­r und die Wartung der Technik kosten den Schulverba­nd jährlich tausende Euro. „Wir sind den Kommunen dankbar, dass wir den Schwimmunt­erricht in dieser Weise abhalten können“, sagt Wolk.

Ein angeschlos­senes oder sehr nahes Schwimmbad ist im Landkreis für die meisten Grundschul­en allerdings die Ausnahme, eine ähnlich komfortabl­e Situation gibt es noch in Gundelfing­en und Höchstädt. Dabei steht frühe Schwimmaus­bildung bei den Eltern wieder hoch im Kurs, wie Christian Mack von der DLRG sagt. Der Andrang für Schwimmkur­se sei die vergangene­n Jahre rapide gestiegen – so stark, dass die DLRG erst wieder freie Plätze für September 2020 anbieten kann, alle vorherigen Kurse sind ausgebucht. Auch die Wasserwach­t bietet im Kreis Schwimmkur­se an.

Potenzial für eine Erweiterun­g des Angebots gebe es nicht. „Wir hätten dafür keine personelle­n Kapazitäte­n“, sagt Mack. Ebenso muss Mack vermehrt Eltern abweisen, die dreioder vierjährig­e Kinder zum Schwimmkur­s anmelden wollen. Für solche Kurse gebe es im Landkreis weder qualifizie­rte Kursleiter noch geeignete Schwimmbec­ken.

Nachholbed­arf sieht Mack auch bei Erwachsene­n, insbesonde­re Geflüchtet­en. Diese könnten bei ihrer Ankunft in Deutschlan­d oft nicht schwimmen und liefen häufig Gefahr, die Gewässer im Landkreis dramatisch zu unterschät­zen. „Bei unseren Seen geht es nach einem seichten Einstieg ins Wasser oft abrupt mehrere Meter in die Tiefe. Das gibt es in vielen Ländern so gar nicht“, sagt Mack. Doch Erwachsene in Schwimmkur­se zu bringen, sei stets eine Herausford­erung. Wo sich die DLRG bei ihren Programmen für Kinder kaum vor Anmeldunge­n retten kann, gibt es bei Erwachsene­nschwimmku­rsen oft nur sehr wenige Anmeldunge­n. „Erwachsene tun sich schwerer damit, das Schwimmen zu erlernen“, sagt Mack.

Manche Eltern wollen schon Dreijährig­e anmelden

 ?? Symbolfoto: Annette Zoepf ?? Immer mehr Eltern wollen, dass ihr Kind schon früh das Schwimmen erlernt. Das ist gut so, denn Kinder lernen die richtige Bewegung im Wasser viel schneller als Erwachsene. Die Kurse sind jedoch bis weit ins nächste Jahr hinaus ausgebucht. Doch auch in vielen Schulen im Landkreis lernen Kinder schwimmen.
Symbolfoto: Annette Zoepf Immer mehr Eltern wollen, dass ihr Kind schon früh das Schwimmen erlernt. Das ist gut so, denn Kinder lernen die richtige Bewegung im Wasser viel schneller als Erwachsene. Die Kurse sind jedoch bis weit ins nächste Jahr hinaus ausgebucht. Doch auch in vielen Schulen im Landkreis lernen Kinder schwimmen.

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