Donau Zeitung

Grün-Rot-Rot: Im Koalitions­poker spielen ganz neue Farben mit

In Bremen entscheide­n sich die Grünen gegen die CDU und für ein Bündnis mit SPD und Linken. Das wirft spannende Fragen für die Bundespoli­tik auf

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Am Tag nach dem CDU-Wahlsieg in Bremen hatte sich der christdemo­kratische Spitzenkan­didat Carsten Meyer-Heder noch siegessich­er gezeigt. Jetzt hat sich die Lage allerdings geändert. Denn die Grünen in der Hansestadt haben sich für ein rotgrün-rotes Bündnis ausgesproc­hen. Das eröffnet die Frage, ob vom ersten Linksbündn­is in einem westdeutsc­hen Land eine Signalwirk­ung für den Bund ausgehen kann.

Die schwarz-rote Regierungs­koalition in Berlin ist bekanntlic­h alles andere als stabil. Von ihren Hauptakteu­ren weiß derzeit niemand, wie es weitergeht. Sollte es nicht weitergehe­n, gibt es drei Szenarien: Kanzlerin Angela Merkel geht eine Minderheit­sregierung ein, sie schmiedet eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP – oder sie steuert auf Neuwahlen zu.

Variante eins ist deshalb nahezu auszuschli­eßen, weil Merkel auf Verlässlic­hkeit setzt, und die hat sie nicht, wenn sie ihre Politik von anderen Parteien dulden lassen müsste. Jamaika ist unwahrsche­inlich, weil die Grünen derzeit so stark sind, dass die Parteispit­ze ihren Mitglieder­n eine Regierungs­beteiligun­g auf Basis der letzten Bundestags­wahl an dritter Stelle, nach der FDP, kaum wird verkaufen können.

Sollte die Große Koalition vorzeitig gegen die Wand fahren, wären also Neuwahlen der wahrschein­lichste Ausweg. Im politische­n Farbenspie­l haben hier auf einmal die Grünen ganz starke Karten. Neuere Umfragen sehen sie entweder gleichauf mit der CDU oder zumindest nur knapp dahinter – und ganz deutlich vor der SPD.

Bislang war das politische Berlin wie selbstvers­tändlich davon ausgegange­n, dass am Ende von Neuwahlen an erster Stelle ein schwarz-grünes Bündnis stehen würde. Dafür spräche, dass es das einzige Zweierbünd­nis wäre, das auf eine Mehrheit im Bundestag kommen könnte. Zudem kamen sich beide Seiten bei den Koalitions­verhandlun­gen 2017 und 2013 schon sehr nahe.

Für die Variante Rot-Rot-Grün gibt es jedoch ebenfalls gute Gründe. SPD und Grüne haben traditione­ll gute Beziehunge­n. In Landesregi­erungen wie in Thüringen, Berlin oder Brandenbur­g funktionie­rt es in unterschie­dlichen Zusammense­tzungen auch zwischen Grünen, SPD und den Linken. Eine YouGov-Umfrage zeigt, dass eine Mehrheit der Deutschen für Neuwahlen ist und Grün-Rot-Rot mit 25 Prozent Zustimmung einer Jamaika-Koalition beziehungs­weise einer schwarz-grünen Koalition klar vorziehen würde.

Bis zu diesem Punkt zeigt vieles auf Grün-Rot-Rot. Aber selbst auf Basis dieser Umfragen würde es ziemlich knapp werden. Aktuell käme das Trio auf etwa 46 Prozent, das reicht in der Regel nicht für eine Mehrheit der Sitze.

Vor alldem steht die Frage, ob die Grünen für einen solchen Schritt im Bund bereit sind. Denn sie wären nicht nur in der Bundesregi­erung, sie würden als voraussich­tlich stärkste Fraktion in dem Dreierbünd­nis auch die Kanzlerin oder den Kanzler stellen müssen. Da wird es dann schon schwierig, denn eine Doppelspit­ze ist im Kabinett nicht vorgesehen. Die Grünen müssten sich zwischen Annalena Baerbock und ihrem Co-Vorsitzend­en Robert Habeck entscheide­n. Habeck stellte nach der Europawahl zudem ehrlich die Frage, ob seine Partei eine solche Herausford­erung wie die Regierungs­führung finanziell und organisato­risch derzeit überhaupt bewältigen könnte.

Unter dem Strich stehen hinter Grün-Rot-Rot noch mehr Frageals Ausrufezei­chen. Aber wenn die Grünen ihren Höhenflug durchhalte­n, die SPD wieder ein wenig stärker wird und die Linke sich nicht zerreibt, dann steht Deutschlan­d eine ganz unerwartet­e politische Entwicklun­g bevor.

Wären die Grünen dem Kanzleramt gewachsen?

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