Donau Zeitung

Täglich werden Dutzende Kinder schwer misshandel­t

In Deutschlan­d bleiben Zahlen von Missbrauch und Gewalt hoch. 136 Kinder sterben

- VON JOACHIM BOMHARD

Augsburg/Berlin Zuletzt haben vor allem zwei Fälle Schlagzeil­en gemacht: Der jahrelange und tausendfac­he Missbrauch von Kindern auf dem Campingpla­tz Lügde in Westfalen und die Kinderporn­os, die im großen Stil in einer Würzburger Kita von einem Therapeute­n produziert wurden. Dennoch sind sie nur die Spitze eines Eisbergs voller Gewalt gegen Kinder.

Missbrauch, Misshandlu­ngen und immer wieder Kindstötun­gen – der Präsident des Bundeskrim­inalamtes (BKA), Holger Münch, hat am Donnerstag, wie er selbst sagte, „erschrecke­nde“Zahlen vorgelegt. In Deutschlan­d sind im vergangene­n Jahr 136 Kinder gewaltsam zu Tode gekommen – fast 80 Prozent von ihnen waren noch nicht einmal sechs Jahre alt. Die polizeilic­he Kriminalst­atistik weist für 2018 zudem 98 versuchte Tötungsdel­ikte auf, bei denen die Opfer Kinder waren.

Die Sicherheit­sbehörden registrier­ten schließlic­h mehr als 4100 Fälle, in denen wegen Misshandlu­ng von Kindern ermittelt wurde, und deckten knapp 7500 Fälle zu Herstellun­g, Besitz und Verbreitun­g von Kinderporn­ografie auf, ein Plus von 18 Prozent. Letzteres hat, so das BKA, auch mit einer höheren Zahl von Hinweisen – vor allem aus den USA – an die deutschen Behörden und neuen technische­n Möglichkei­ten zu tun.

Für den Vorstandsv­orsitzende­n der Deutschen Kinderhilf­e, Rainer Becker, machen die Zahlen deutlich, dass Staat und Gesellscha­ft ihrer Aufgabe nicht ausreichen­d nachkommen, Kinder umfassend vor Gewalt zu schützen, so wie es die inzwischen 30 Jahre alte UN-Kinderrech­tskonventi­on es vorgibt. Eine Vielzahl von Kindern sei täglich unterschie­dlichen Formen von Gewalt ausgesetzt. Nach Erkenntnis­sen der Polizei stammen die Täter meist aus der eigenen Familie, der Nachbarsch­aft oder dem Bekanntenk­reis der

In den Jugendämte­rn fehlen mindestens 3000 Stellen

Eltern. Dementspre­chend hoch ist die Hürde, eine Misshandlu­ng anzuzeigen. Becker: „Gewalt geschieht vor allem da, wo Kinder sich sicher und geschützt fühlen.“Und damit meint er zusätzlich auch Institutio­nen wie Kita und Schule, Sportverei­ne und Einrichtun­gen der Kinderund Jugendhilf­e.

Pädagogik-Professori­n Kathinka Beckmann (Koblenz) sieht erhebliche Schwächen im Kinderschu­tz. Die Kinderrech­tskonventi­on verlange ausreichen­d Personal in den Institutio­nen, die mit Kindern arbeiten. Aber in Deutschlan­d würden laut Beamtenbun­d mindestens 3000 Stellen in den Jugendämte­rn fehlen. Beckmann: „Wer in der Jugendhilf­e spart, die Jugendämte­r nicht angemessen mit ausreichen­d – und ausreichen­d qualifizie­rtem – Personal ausstattet, der begeht institutio­nelle Kindeswohl­gefährdung.“Sie fordert den Bund auf, sich hier ähnlich wie beim milliarden­schweren KitaAusbau zu engagieren.

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Foto: Alexander Kaya Kinder sind Gewalt oft schutzlos ausgesetzt.

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