Donau Zeitung

Diplomatie über Gräbern

1944 landeten die Alliierten in der Normandie, um Europa von den Nazis zu befreien. Das Gedenken veranlasst den französisc­hen Präsidente­n zu einem Appell an Trump

- VON BIRGIT HOLZER

Colleville-sur-Mer Genau 75 Jahre später stürmt es nicht wie damals, es herrscht Sonnensche­in. Schulkinde­r eilen über den amerikanis­chen Militärfri­edhof von Colleville-sur-Mer, um ihre Plätze einzunehme­n; sie laufen vorbei an den 9386 weißen Kreuzen, die sich nebeneinan­der aufreihen und von denen jedes für diesen besonderen Tag mit einer amerikanis­chen und einer französisc­hen Fahne versehen wurde.

Etwas später sitzen im Publikum vor den Schülern rund 160 Senioren, Ehrengäste bei der Feier zum Gedenken an die Landung der Alliierten an den Stränden der Normandie. Es sind US-Veteranen, die als junge Männer einst an der Operation Overlord teilnahmen, mit der ab dem 6. Juni 1944 die alliierten Kräfte Nazideutsc­hland von der Westfront aus in die Knie zwangen. An jenem „längsten Tag“wurden rund 7000 Schiffe und Landungsbo­ote eingesetzt, die Luftstreit­kräfte flogen 13000 Einsätze, 156000 Soldaten landeten an verschiede­nen Strandabsc­hnitten der Normandie. Der D-Day war der Beginn eines wochenlang­en Gemetzels, aber auch der Befreiung Frankreich­s von den deutschen Besatzern.

Einen Tag nach der Gedenkvera­nstaltung im britischen Portsmouth, an der unter anderem Königin Elizabeth II., Bundeskanz­lerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump teilnahmen, begeht Frankreich den 75. Jahrestag nicht nur mit einer imposanten Zeremonie, sondern mit mehreren Veranstalt­ungen. Nach einer ersten französisc­h-britischen Feier im Küstenort Ver-sur-Mer mit 14 Staats- und Regierungs­chefs gedenken der französisc­he Staatspräs­ident Emmanuel Macron und Trump in Colleville­sur-Mer der amerikanis­chen Streitkräf­te; ein bilaterale­s Gespräch folgt. Die meisten der damals kämpfenden Soldaten seien erst um die 20 gewesen, betont Macron. „Und doch schienen sie weit weg, die glückliche­n Tage ihrer Jugend. Weit entfernt waren die welligen Hügel von Pennsylvan­ia, Kentucky oder New Jersey, weit entfernt die Studienjah­re, wo sie einen Beruf erlernt hatten, den sie manchmal nie ausüben würden.“Er bedankt sich dafür auf Englisch.

Dass der Präsident dabei auch die Entstehung der Vereinten Nationen, der Nato und später der Europäisch­en Union als kluge Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg lobt, lässt sich als Anspielung auf die Kritik Trumps an diesen westlichen Bündnissen und seiner Abkehr vom Multilater­alismus deuten. Auch Macrons Worte, Amerika sei „immer dann am größten gewesen, wenn es für die Freiheit der anderen gekämpft hat“, klingen wie eine Mahnung. Unvergesse­n ist, dass Macron zunächst demonstrat­iv versucht hat, eine Männerfreu­ndschaft zu Trump aufzubauen. Doch spätestens als sich der US-Präsidente­n weigerte, das Pariser Klimaabkom­men zu unterzeich­nen, wurde die Beziehung frostig. Als dann Macron noch Widerstand gegen ein Handelsabk­ommen zwischen der EU und den USA leistete, war das Klima auf dem Nullpunkt. Dennoch spricht Trump in Colleville-sur-Mer von einem „starken Band“zwischen beiden Ländern. Und er nennt den Einsatz der US-Soldaten im Jahr 1944 einen „Kreuzzug“, eine Schlacht zwischen dem „Guten und dem Bösen“.

Eine besondere Geste für die Verdienste der eigenen Nation lässt sich aber auch Macron später nicht nehmen: Er würdigt die am D-Day beteiligte Kommandoei­nheit des Freien Frankreich unter Philippe Kieffer. Mit 177 Soldaten, von denen heute nur noch drei leben, war sie damals zwar zahlenmäßi­g gering – und doch erscheint es Macron bedeutsam, an diesem historisch­en Tag den Beitrag der Résistance zu betonen, nicht nur jenen der internatio­nalen Partner.

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Foto: dpa Vereint unter der Tricolore: Donald Trump und Emmanuel Macron.

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