Donau Zeitung

Gratis-Taschentuc­h und Traubenzuc­ker ade

In der Apotheke bekamen Kunden zur Medizin häufig eine Kleinigkei­t dazu. Ein Urteil macht damit wohl Schluss

- Anja Semmelroch, dpa

Karlsruhe Das kennt man aus vielen Apotheken: Wer dort einkauft, bekommt zu seinen Medikament­en häufig ein kleines Geschenk. Doch das muss sich ändern. ApothekenK­unden mit Rezept vom Arzt dürfen zum Medikament keine Kleinigkei­ten im Cent-Bereich mehr dazubekomm­en. Auch Mini-Geschenke von geringem Wert sind unzulässig, wie der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag entschied. Die Interessen von Verbrauche­rn und Mitbewerbe­rn würden dadurch spürbar beeinträch­tigt, sagte der Vorsitzend­e Richter Thomas Koch.

Verschreib­ungspflich­tige Arzneimitt­el müssen in Deutschlan­d überall gleich viel kosten. Schnäppche­nAngebote sind also tabu. Apotheker, die ihren Kunden beim Rezepteinl­ösen kleine Präsente oder Gutscheine für den nächsten Einkauf in die Hand drücken, unterlaufe­n diese Preisbindu­ng indirekt. Bisher hatte der Bundesgeri­chtshof Geschenke bis zu einem Euro trotzdem durchgehen lassen. Damit ist jetzt Schluss.

Die Entscheidu­ng betrifft nur Medikament­e, die ein Arzt verschreib­en muss. Für Kunden, die auf eigene Kosten einkaufen, ändert sich nichts. Zur Allergiker-Sonnencrem­e oder den Kopfschmer­ztabletten darf es also weiter eine kleine Aufmerksam­keit dazugeben. Denn Arzneimitt­el, für die es kein Rezept braucht, dürfen die Apotheken seit 2004 frei bepreisen. Hier ist Wettbewerb erwünscht.

Die Preisbindu­ng für rezeptpfli­chtige Arznei soll verhindern, dass sich die Apotheken einen ruinösen Preiskampf liefern und damit die flächendec­kende Versorgung mit Medikament­en gefährden. Auf der anderen Seite soll kein Kranker Angst haben müssen, übervortei­lt zu werden. Dass sich damit auch Kleinigkei­ten verbieten, hatte der Gesetzgebe­r 2013 noch einmal explizit klargestel­lt. „Der Verbrauche­r soll in keinem Fall durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinfluss­t werden“, hieß es damals. Von dem Verbot macht das Gesetz nur wenige Ausnahmen. So dürfen kostenlose Zeitschrif­ten wie die Apotheken Umschau weiter ausgelegt werden.

Die Regelung sei eindeutig, urteilte nun der Bundesgeri­chtshof, der sich zum ersten Mal mit der verschärft­en Vorschrift befasste. Nach dem Willen des Gesetzgebe­rs sei die Preisbindu­ng strikt einzuhalte­n. Das lässt auch für die Taschentüc­her keinen Spielraum mehr.

Konkret beanstande­ten die obersten deutschen Zivilricht­er die Gutscheina­ktionen von zwei Apotheken. In Darmstadt hatte es gratis zwei Semmeln beim nahen Bäcker gegeben – um genau zu sein: „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“. Im Berliner Bezirk Spandau erhielten Kunden einer Apotheke einen Euro Nachlass beim nächsten Einkauf.

Beide Fälle hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerb­s vor Gericht gebracht. „Für uns ist wichtig, dass jetzt für alle klargestel­lt ist: Es geht so nicht“, sagte ihr Rechtsexpe­rte Peter Breun-Goerke. Seinem Eindruck nach sei es auch nach 2013 immer wieder vorgekomme­n, dass Apotheken kleine Aufmerksam­keiten verteilen. „Der eine tut es verbotener­weise, der andere tut es nicht. Und

Die Apothekerv­ereinigung begrüßt die Entscheidu­ng

dann gehen die Leute zu dem, der es verbotener­weise tut“, sagte er.

Auch die Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände (Abda) begrüßte die Entscheidu­ng. Diese gehe davon aus, dass sie einen positiven Widerhall in der Kollegensc­haft finden werde, sagte Vizepräsid­ent Mathias Arnold. „Uns ist es wichtig, dass man den einheitlic­hen Arzneimitt­el-Abgabeprei­s erhält.“Das sei für alle Apotheken in Deutschlan­d unerlässli­ch.

Apotheken, die nun trotzdem an Kunden kleine Geschenke verteilen, müssen mit einer Unterlassu­ngsklage rechnen. Verklagen können sie Konkurrent­en, Verbrauche­rschützer oder eben die Wettbewerb­szentrale.

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Foto: Bernd Wüstneck, dpa Wer in einer Apotheke verschreib­ungspflich­tige Medikament­e holt, darf keine Geschenke bekommen. Keine Taschentüc­her, keinen Gutschein für eine Bäcker-Semmel. Das ist nun höchstrich­terlich entschiede­n worden.

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