Donau Zeitung

Wenn Schulschwä­nzer am Flughafen auffliegen

Damit der Urlaub schnell beginnt, wagen manche Familien einen Frühstart: Sie verreisen noch während der letzten Schultage. 2018 wurden 20 Familien in Bayern an Flughäfen ertappt. Wie ist nun die Lage vor den Pfingstfer­ien?

- VON VERONIKA LINTNER

München Den besten Ausblick hat die Frau vom Infoschalt­er. Sie schaut auf den Check-in am Terminal 1 des Flughafens Franz Josef Strauß. Und auf die Menschensc­hlangen, die sich um Absperrbän­der winden. Sie sieht auch, wann der große Abflug beginnt: „Schon drei Tage im Voraus, vor Beginn der Osterferie­n, ging es beim letzten Mal los. Lauter Familien! Ich habe es gar nicht fassen können“, sagt sie. Und an diesem Donnerstag vor Pfingsten nimmt die Welle vor ihren Augen wieder Fahrt auf: Junge Familien huschen am Infostand vorbei. Kinderkoff­er rollen durchs Bild, Teddybären reisen als Handgepäck mit. Reiseziele: London, Mallorca oder Lissabon. Manche Familien fliegen schon jetzt in den Urlaub – während die meisten Schüler noch im Unterricht sitzen und ihre Schulpflic­ht erfüllen.

20 Familien hatten bayerische Polizeibeh­örden 2018 beim Frühstart in den Pfingsturl­aub ertappt. Zehn Fälle allein in Memmingen, weitere in München und Nürnberg. Ihre Eltern mussten ein Ordnungsge­ld zahlen. Welche Vorkehrung­en hat die Polizei in diesem Jahr getroffen? Es gebe keine zusätzlich­en Kontrollen vor den Pfingstfer­ien, meldet die Bundespoli­zei. Das bestätigt auch das Polizeiprä­sidium Schwaben Süd für den Memminger Flughafen, fügt aber an: „Wir werden ein Auge darauf haben.“

Der Urlaubsbet­rieb zu Pfingsten führt mehr als zwei Millionen Reisende zum Flughafen Franz Josef Strauß. An diesem Freitag, dem letzten Schultag, werden hier rund 1300 Mal Flugzeuge abheben und landen, mit etwa 160000 Fluggästen. Ob die Polizei in dieser Menge die Schulkinde­r entdeckt, hängt auch vom Reiseziel ab: Vor Flügen, die über die Grenzen der EU hinausführ­en, kontrollie­rt die Bundespoli­zei die Pässe und stößt dabei ab und an auf Schulschwä­nzer. Ein junger Polizist in blauer Uniform patrouilli­ert durch die Gänge von Terminal 1 und erklärt: „Ja, das kontrollie­ren wir heute auch. Falls wir fündig werden, informiere­n wir die Schulen.“An diesem Tag habe er von seinen Kollegen aber noch keine Meldung gehört. Bislang ist noch niemand aufgefloge­n.

Falls es doch passiert, landet die Polizeimel­dung bei Schulleite­rn wie Markus Rinner. Er ist Chef des Pauline-Thoma-Gymnasiums in Kolbermoor und Rechtsrefe­rent für den Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverband (BLLV). Auch an seiner Schule gab es schon Frühurlaub­er. Legt die Polizei so eine Meldung vor, kann er beim Landratsam­t ein Ordnungsge­ld für die Eltern beantragen. Das Bußgeld beträgt mindestens fünf und maximal 1000 Euro. Der BLLV richtet sich nach den Gesetzen und der Linie des Kultusmini­steriums: Schulpflic­ht gilt, von der ersten bis zur letzten Schul

1300 Starts und Landungen am letzten Schultag

Das betrifft Frühurlaub­er ebenso wie Teilnehmer von „Fridays for Future“– wenn sich die Schulleitu­ng nicht für eine Ausnahmeer­laubnis entscheide­t. „Das ist in ganz wichtigen, persönlich­en Ausnahmefä­llen möglich“, sagt Rinner. „Bei Behördente­rminen, Hochzeiten oder Beerdigung­en.“Er prüft jede Begründung, verlangt die Hochzeitsu­rkunde oder die Bestätigun­g der Behörde. Und versäumt eine Familie den Rückflug aus dem Urlaub, bittet er um das erste und das zweite Flugticket. „Man muss sich ja nicht alles erzählen lassen.“Ein früher Urlaubsflu­g sei oft 300 Euro günstiger. Rinner kann nachvollzi­ehen, wie verlockend das ist. „Verständli­ch. Aber es geht halt nicht.“Aus seiner Sicht sind die Fälle der Frühurlaub­er seltener geworden. Schulen und Eltern hätten dazugelern­t, sagt der Schulleite­r, vor allem seit den Schlagzeil­en im vergangene­n Jahr.

Die Kontrollma­cht liegt bei der Polizei. „Wir kennen die Anzahl der Fälle nicht“, sagt Ingo Anspach, Pressespre­cher des Flughafens München. „So eine Kontrolle ist die hoheitlich­e Aufgabe der Polizei, nicht die der Dame am Check-in.“Bettina Rittberger, Pressespre­cherin der Lufthansa, sieht auch die Fluglinien nicht in der Verantwort­ung. „Wir haben vielmehr eine Beförderun­gspflicht“, sagt sie. Dass Schulschwä­nzer nicht auffallen, habe auch mit dem digitalen Fortklasse. schritt zu tun, vermutet sie. „Sie checken sich online ein, sie geben ihr Gepäck am Automaten ab. In den seltensten Fällen kommen sie in Kontakt mit dem Flughafenp­ersonal.“

Eine Familie mit zwei Schulkinde­rn wartet mit bunten Koffern am Check-in. Krankheits­bedingt seien sie vom Unterricht befreit, erklärt die Mutter wie aus der Pistole geschossen. Viel einfacher haben es die allerjüngs­ten Flugpassag­iere: Sie müssen noch nicht in die Schule – und haben dann auch noch Vorfahrt beim Check-in: Ein Schild gewährt ihnen „Fast track“– die Beschleuni­gungsspur. Die Erlaubnis gilt für Kinder bis sechs Jahren. Danach beginnt auch die Schulpflic­ht.

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Der Abflug kann teurer werden als geplant – wenn denn Eltern schon vor Ferienbegi­nn mit ihren schulpflic­htigen Kindern in den Urlaub starten. Ordnungsge­lder bis zu mehreren hundert Euro können die Landratsäm­ter verhängen.
Foto: Matthias Balk, dpa Der Abflug kann teurer werden als geplant – wenn denn Eltern schon vor Ferienbegi­nn mit ihren schulpflic­htigen Kindern in den Urlaub starten. Ordnungsge­lder bis zu mehreren hundert Euro können die Landratsäm­ter verhängen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany