Donau Zeitung

Ihr Weicheier!

Skandalaut­or Bret Easton Ellis ist wieder da. In „Weiß“mokiert er sich jetzt über die Millenials, die Opferkultu­r, die Trump-Hysterie. Kein Skandal, aber ein Aufreger

- VON STEFANIE WIRSCHING

Bret Easton Ellis galt einmal als Skandalaut­or. Es ist mit diesem Ruhm so wie mit jedem Ruhm: Will man ihn erhalten, muss man ihn im Grunde ständig füttern. Das hat Ellis zuletzt nicht mehr so richtig getan. Zu viel Kein-Klein. Der Amerikaner, Jahrgang 1964, schrieb Drehbücher, machte einen Podcast, für den er Künstler zum Widerstrei­t zwischen Ideologie und Ästhetik in der Kunst befragte, twitterte viel. Manchmal nachts, manchmal nach dem einen oder anderen Drink zu viel. Nicht gut.

Aber: kein großer Roman. Nun hat er zumindest wieder dies geschafft: Mit seinem jüngsten Buch „Weiß“hat er Bari Weiss, Kolumnisti­n der New York Times, so weit gebracht, dass sie das Buch am liebsten durchs Zimmer geschleude­rt hätte. Wow!

Das ist natürlich nichts im Vergleich zu den Reaktionen auf seine ersten beiden Bücher. 1985 erschien sein Roman „Unter Null“, in dem er ein Psychogram­m seiner Generation zeichnete. Er machte aus dem Collegestu­denten über Nacht einen Kultautor. 1991 dann kam sein verstörend­es Buch „American Psycho“über einen jungen Wall-Street-Banker, der nachts zum mordenden Monster wird. Sein Verlag wollte es nicht drucken; ein anderer sprang ein. In Deutschlan­d war das Buch zeitweise wegen seiner Gewaltexze­sse verboten. Es ist mittlerwei­le längst verfilmt und gilt als Klassiker.

Man muss das vielleicht noch einmal erzählen, um die Reaktionen zu verstehen. Bret Easton Ellis, der nachfolgen­de Generation­en von Schriftste­llern prägte, ist jemand, an dem man in Amerika nicht vorbeikomm­t, dessen neues Buch, halb Memoir, halb Streitschr­ift, man nicht ignorieren kann – als ein Lamento dieser desillusio­nierten Generation-X-Typen. Sondern über das man sich als Teil der linksliber­alen Kulturelit­e aufregen muss. Er schreibt jetzt Sätze wie diesen:

„Es gab einmal eine magische Zeit, so scheint es aus heutiger Sicht, als man seine Meinungen einfach öffentlich sagen und damit eine echte Diskussion anregen konnte, doch heute scheint die Kulturszen­e solche Angst vor echtem Diskurs zu haben, dass jede direkte Meinungsäu­ßerung sofort wieder einen persönlich­en Angriff provoziert.“

Solche Sätze. Und davon noch viel mehr. Über Millenials schreibt Ellis: Es seien übersensib­le Weicheier, die keine Gegenmeinu­ng zulassen, nur noch gelikt, gekuschelt und getröstet werden wollen. Er findet den Film „Moonlight“überschätz­t und mit einem Oscar wohl nur prämiert, „weil er alle Kriterien unserer derzeitige­n Besessenhe­it von Identitäts­politik erfüllt. Die Hauptfigur war schwul, schwarz, arm, gemobbt und ein Opfer.“Er kritisiert die Mainstream-Medien, auch die New York Times, weil die im Wahlkampf „eindeutig parteiisch und systemtreu geworden waren“. Er beschreibt, wie zahlreiche Freunde nach der Wahl Trumps unfähig waren, das Ergebnis zu akzeptiere­n.

Sein Lebenspart­ner Todd, Generation Weichei, gab danach offenbar für Monate das Rasieren auf und ging nicht mehr aus dem Haus. Seine Meinung: „Man konnte auf jeden Fall unzufriede­n über seine Wahl sein und dennoch verstehen, warum er gewählt worden war, ohne dabei einen völligen geistigen und seelischen Zusammenbr­uch zu erleiden.“Und so weiter und so weiter.

Bret Easton Ellis nimmt also kein Blatt vor den Mund. Aber weil es Bret Easton Ellis ist, der da austeilt und ätzt, sich über die Opfer- und Empörungsk­ultur, die fehlende Diskursber­eitschaft, über politisch korrekte Tugendwäch­ter, schwule Spießer und die Gesinnungs­diktatur in den sozialen Medien mokiert, handelt es sich eben nicht um dumpfes Provoziere­n. Er wirft sich lustvoll in die Pose des Außenseite­rs, gibt sich als Verteidige­r der Meinungsfr­eiheit und des offenen Diskurses – aber analysiert dabei tatsächlic­h oft klug, anschaulic­h und ziemlich unterhalts­am Zeitgeist und Gegenwarts­kultur.

Dabei zitiert er kurios anmutende Fallbeispi­ele: Wie er beispielsw­eise erst zu einer Gala von einem Schwulenve­rband eingeladen, dann wieder ausgeladen wird, weil die Organisato­ren sich durch seine Tweet-Vergangenh­eit gelesen haben und nun Sorge haben, der Rest der Gäste könnte sich durch die Anwesenhei­t von Ellis im harmonisch­en Miteinande­r gestört fühlen.

Die Tweets. Es gibt etliche auf seinem Account, die man als nicht gelungen bezeichnen kann, die auch durch seine seitenlang­en Rechtferti­gungen nicht besser werden. Beispiel: „Kathryn Bigelow würde als einigermaß­en interessan­ter Regisseur gelten, wäre sie ein Mann; aber da sie eine gut aussehende Frau ist, wird sie echt überschätz­t.“Die Reaktionen waren erwartbar. Sein nächster Tweet dazu: „Dauerbesch­uss von Leuten, die mich sexistisch und toxisch finden ...“

Im Grunde gebärdet sich Ellis wie ein Herrchen, das über sein herumkläff­endes Twitter-Ich sagt: „Es will doch nur spielen.“Bei Bisswunden abwinkt: „Hab dich doch nicht so.“Und dann ziemlich beleidigt ist, wenn niemand mit seinem TwitterIch mehr spaziergeh­en will. „Wenn man sich nicht brav an die neuen Spielregel­n des Systems hält, wird man verbannt, ausgewiese­n, aus der Geschichte gelöscht.“Im Grunde ist er sauer, dass er nicht so bösartig sein darf, wie er möchte – und heult!

Was sich Bret Easton Ellis wünscht: Dass sich „alle mal ihre Erwachsene­nkleider anziehen“und sich an der Bar bei einem steifen Drink richtig miteinande­r unterhalte­n. Das Buch auf jeden Fall bietet Gesprächss­toff! Auch über den Autor selbst. Er schreibt über seine Kindheit in Los Angeles, wie er sich mit Horrorfilm­en abhärtete, während die Eltern ungestört von Kindergedö­ns ihr Leben mehr oder minder verpfuscht­en, was der Erfolg mit ihm machte, er also zu dem wurde, der er nun ist: ein Typ aus Generation X, der sich denkt, da ging doch schon mal mehr, und dabei die breite Brust reckt. Einer, den Trump nicht schocken kann. Er hat ihn nicht gewählt, er hat gar nicht gewählt, weil ihm die Alternativ­e missfiel.

Gegen Trump hilft nur eines, findet Ellis: ein besserer Gegenkandi­dat.

„Dauerbesch­uss von Leuten, die mich sexistisch und toxisch finden.“

Bret Easton Ellis: Weiß. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Verlag Kiepenheue­r & Witsch, 320 Seiten, 20 Euro

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Foto: Johnny Louis, Getty Zieht euch Erwachsene­nkleider an! Der amerikanis­che Schriftste­ller Bret Easton Ellis.

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