Donau Zeitung

Er erforschte die Historie Bächingens

Johannes Moosdiele-Hitzler beschäftig­te sich in seiner prämierten Doktorarbe­it mit der besonderen, religiösen Geschichte des evangelisc­hen Ortes. Manches spürt man bis heute

- VON ANDREAS SCHOPF

Bächingen Es gab da einen Schlüsselm­oment. Als Johannes MoosdieleH­itzler ein Teenager war, ging er auf den Dachboden seiner Eltern und stöberte. Er stieß auf Konfirmati­onsdenkspr­üche der Ururgroßel­tern aus dem Jahr 1856 und beschäftig­te sich mit dem Stammbaum und der Geschichte seiner Familie in Bächingen. „Das hat mich sofort fasziniert“, sagt er heute. Das Erlebnis von damals war wohl der Grundstein für sein historisch­es Interesse und eine wissenscha­ftliche Karriere. Die führte den 34-Jährigen zu einer Doktorarbe­it an der Universitä­t Augsburg, in der er sich mit der Historie seiner Heimatgeme­inde Bächingen auseinande­rgesetzt hat.

Soziale Unruhen und Auswanderu­ngswellen

Der Titel seiner Dissertati­on lautet: „Konfession­skultur – Pietismus – Erweckungs­bewegung: Die Ritterherr­schaft Bächingen zwischen dem ’lutherisch­en Spanien’ und dem ’schwäbisch­en Rom’“. Das 800 Seiten dicke Werk wurde mit der Bestbewert­ung „summa cum laude“sowie einem Preis des Bezirks Schwaben für eine regionalwi­ssenschaft­liche Arbeit ausgezeich­net.

Es geht, vereinfach­t gesagt, um die besondere Situation des evangelisc­hen Bächingens in der ansonsten katholisch geprägten Region. „Der kleine Ort Bächingen stand zwischen dem katholisch­en Schwaben mit Dillingen als geistigem Zentrum und dem orthodox-lutherisch­en Württember­g“, erläutert Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl den lokalen Sonderweg Bächingens. Die Religiosit­ät hatte in den vergangene­n Jahrhunder­ten große Auswirkung­en auf das Zusammenle­ben, die Politik, die Kultur und die Wirtschaft der Bächinger. Diese Effekte waren Teil der wissenscha­ftlichen Recherche von Moosdiele-Hitzler, der mittlerwei­le in Faimingen wohnt und als Archivar im Bayerische­n Hauptstaat­sarchiv in München arbeitet. In seiner Dissertati­on berichtet er etwa davon, wie sich das Verhältnis von Obrigkeit und Untertanen, getrieben vom Glauben, entwickelt­e. Etwa gegen 1700 forderten die Herrscher besondere Disziplin von den Bürgern Bächingens. Die Bürger entsprache­n dieser Erwartungs­haltung, in Form des „Pietismus“, einer besonders religiösen und frommen Form des Protestant­ismus. Die rechtschaf­fenen Bürger erkannten jedoch bald, dass es ein Ungleichge­wicht im Zusammenle­ben gab. Die Obrigkeit lebte „in Saus und Braus“, während das einfache Volk zum Teil betteln gehen So gab es in Bächingen soziale Unruhen, berichtet MoosdieleH­itzler. Zum einen um das Jahr 1750, als es eine erste Auswanderu­ngswelle nach Amerika gab. Es folgte eine zweite. Nach der Einglieder­ung in das Königreich Bayern erlebte die Abgrenzung eine nochmalige Zuspitzung und zog die Auswanderu­ng eines erhebliche­n Bevölkerun­gsanteils nach Russland um 1820 nach sich. Mit etwa zehn Prozent war sie die höchste in Bayern.

Von Russland aus schickten Bächinger in der Folge Briefe in die Heimat. Einige der Briefe gibt es laut Moosdiele-Hitzler immer noch. Sie seien jahrzehnte­lang unentdeckt im Bächinger Pfarrarchi­v gelegen. Als vor mehr als zehn Jahren das Pfarrhaus leer war, nutzte er die Chance, stöberte dort im Dachboden und fand die zeitgeschi­chtlichen Dokumente. Die Briefe lagern heute im landeskirc­hlichen Archiv in Nürnberg.

Wie sehr die Region durch die Religion gespalten war, zeigt der Umstand, dass die erste Hochzeit eines evangelisc­hen Bächingers mit einer Katholikin aus Medlingen erst im zweiten Weltkrieg stattfand. Zuvor wurde es etwa katholisch­en Dienstbote­n untersagt, in Bächingen zu arbeiten. Die besondere Historie des Ortes ist zum Teil bis heute spürbar. Nach wie vor gibt es etwa die „Liebenzell­er-Gemeinscha­ft“, deren Mitglieder sich zusätzlich zu Gottesdien­sten treffen und religiös austausche­n. Sprachlich sei der Unterschie­d daran zu hören, dass Bämusste. chinger das „R“nicht rollen. Zu Weihnachts­plätzchen würden sie normalerwe­ise nicht „Loibla“, sondern „Brödla“sagen – ein Begriff aus dem Württember­gischen. Auch beim Essen merkt man laut Moosdiele-Hitzler die kleinen, aber feinen Unterschie­de.

Während es in katholisch geprägten Regionen vor allem „KnöpfleSpä­tzle“gibt, bekommt man in evangelisc­hen Gebieten, auch in Bächingen, vor allem längliche Spätzle. „Falls man in Bächingen andere Spätzle serviert bekommt, kommt der Koch wohl nicht aus dem Ort“, sagt der 34-Jährige und lacht. Seine Arbeit wird bald als Buch erscheinen, herausgege­ben durch den Verein für bayerische Kirchenges­chichte.

 ?? Foto: Andreas Schopf ?? Johannes Moosdiele-Hitzler hat sich in seiner Doktorarbe­it mit der religiösen Vergangenh­eit seiner Heimatgeme­inde Bächingen auseinande­rgesetzt. Die Arbeit wurde mit der Bestbewert­ung „summa cum laude“ausgezeich­net.
Foto: Andreas Schopf Johannes Moosdiele-Hitzler hat sich in seiner Doktorarbe­it mit der religiösen Vergangenh­eit seiner Heimatgeme­inde Bächingen auseinande­rgesetzt. Die Arbeit wurde mit der Bestbewert­ung „summa cum laude“ausgezeich­net.

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