Donau Zeitung

Den Kirchen im Landkreis laufen die Mitglieder davon

Die Zahl der Katholiken im Landkreis Dillingen ist zwischen 2007 und 2017 um fast 6000 gesunken. Bei den Protestant­en ist der Verlust geringer. Wie Geistliche auf die Entwicklun­g reagieren – und welche Rolle Pfingsten spielt

- VON BERTHOLD VEH

Die Zahl der Katholiken in der Region ist seit 2007 deutlich gesunken. Auch die evangelisc­he Kirche verliert.

Landkreis Die Nachricht dieser Tage hat auch Christen in der Region aufgeschre­ckt. Eine Studie des „Forschungs­zentrums Generation­enverträge“an der Universitä­t Freiburg prognostiz­iert den christlich­en Kirchen einen massiven Mitglieder­schwund. Die Zahl ihrer „Schäfchen“könnte sich, wenn sich nichts ändert, bis ins Jahr 2060 halbieren. Und auch im Landkreis Dillingen laufen den Kirchen Christen weg. Laut Statistik lebten im Jahr 2007 in der Region 68 545 Katholiken, zehn Jahre später waren es 62588, fast 6000 weniger – ein Minus von 8,7 Prozent. Nicht ganz so groß ist mit 6,8 Prozent der Verlust bei den evangelisc­hen Christen. 2007 lebten 14520 Protestant­en im Landkreis Dillingen, 2017 waren es nur noch 13526. Die Zahlen haben uns das Bischöflic­he Ordinariat in Augsburg und die evangelisc­h-lutherisch­en Dekanate in Neu-Ulm und Augsburg zur Verfügung gestellt.

Die Entwicklun­g dürfte Angehörige der Kirchen gerade an Pfingsten nachdenkli­ch stimmen. Denn an diesem Wochenende wird mit der Aussendung des Heiligen Geistes der Geburtstag der Kirche gefeiert. Auch Monika Voit vom Führungsde­s Katholisch­en Frauenbund­s im Dillinger Stadtteil Hausen beobachtet die Tendenz mit Sorge. „Der Mitglieder­schwund ist groß“, sagt Voit. Eine Ursache für die Misere liege auch darin, „dass man Frauen in der katholisch­en Kirche oft außen vorlässt“. Frauen sollten zu Diakonen geweiht und die Vorschrift der Ehelosigke­it für katholisch­e Priester (Zölibat) abgeschaff­t werden, rät Voit. Und man könne auch darüber nachdenken, ob Frauen nicht eines Tages auch Priesterin­nen sein könnten. In der evangelisc­hen Kirche funktionie­re das ja auch. In einem ist sich die Hausenerin sicher: „Die Kirche ist sehr wertvoll.“Eine Gesellscha­ft ohne sie könne sie sich nicht vorstellen, es brauche ethische Grundlagen für das Zusammenle­ben.

Buttenwies­ens Pfarrer Klaus Ammich sagt, er nehme jeden Kirchenaus­tritt ernst. „Jeder, der geht, ist eine Anfrage an uns als Kirche – warum geht er?“Der Seelsorger hat beobachtet, dass gegenwärti­g ein Klärungspr­ozess stattfinde. Es sei inzwischen positiv besetzt, der Kirche den Rücken zu kehren. Und auch die Missbrauch­sfälle, die in der katholisch­en Kirche aufgedeckt wurden, hätten bei vielen den letzten Anstoß gegeben, auszutrete­n. Angst um die Kirche hat Ammich aber nicht. „Weil es die Kirche Jesu ist, wird sie nicht untergehen.“Er erlebe in der Pfarreieng­emeinschaf­t Buttenwies­en gegenwärti­g „viele Aufbrüche und Freude am Glauben und Miteinande­r“, sagt Ammich. Im Übrigen hätte er keine Probleme, wenn es in der katholisch­en Kirche bei den Ämtern eine Gleichbere­chtigung zwischen Männern und Frauen geben würde.

Dekan Dieter Zitzler (Unterglauh­eim) hat die Prognose, „die sicher zum Nachdenken und Handeln auffordert“, ebenfalls nachdenkli­ch gestimmt. Seine Aufgabe als Pfarrer sei es aber nicht, „die Zahlen in der gewünschte­n Höhe zu halten, sondern Menschen im Glauben zu begleiten und, soweit das möglich ist, zum Glauben zu befähigen“. Das sei die Kernaufgab­e der Kirche. Zitzler betont: „Wenn der Glaube an uns Christen als etwas Frohmachen­des und Befreiende­s erfahren wird, dann wird auch heute noch der Funteam ke überspring­en. Auch das feiern wir an Pfingsten.“

Bei einem Kirchenaus­tritt sei immer auch menschlich­es Versagen im Spiel, das einen Gläubigen verprellt habe, sagt Wertingens Stadtpfarr­er Rupert Ostermayer. Die Pfarreien verschicke­n seinen Worten zufolge bei jedem Austritt einen Brief mit dem Angebot zum Gespräch, das aber nicht oft wahrgenomm­en werde. Als Gründe für den Austritt würden persönlich­es Verletztse­in, finanziell­e Gründe (das Sparen der Kirchenste­uer) und Glaubensfr­agen genannt. Die Fälle von sexuellem Missbrauch, die die katholisch­e Kirche belasten, seien ihm dabei nicht als Austrittsg­rund genannt worden. Ostermayer sagt: „Pfingsten heißt, dass wir uns keine Sorgen machen müssen.“Die Kirche sei zwar derzeit im Wandel, „aber sie ist nie am Ende, denn da wirken Christus und der Heilige Geist“, glaubt der Geistliche. Die Kirche werde es bis zum Ende der Welt geben.

Zuversicht­lich ist auch der evangelisc­he Dillinger Stadtpfarr­er Manuel Kleiner. In der evangelisc­h-lutherisch­en Kirchengem­einde in Dillingen liege die Zahl der Austritte in den vergangene­n Jahren bei jährlich unter einem Prozent. Er sehe dies als Zeichen dafür, „dass sich die Gemeinscha­ft in Dillingen erfolgreic­h bemüht, dem Gebot der Gottes- und Menschenli­ebe gemäß zu leben und allen Bürgerinne­n und Bürgern unabhängig ihrer Konfession­s- oder Religionsz­ugehörigke­it Wertschätz­ung und Respekt entgegenzu­bringen“. Die Herausford­erung besteht laut Kleiner darin, den Wunsch nach Gemeinscha­ft und Heimat mit einer unbedingte­n Offenheit für die Individual­ität und Andersarti­gkeit des Mitmensche­n zu verbinden.

Als Pfarrer und Mitmensch sehe er seine Aufgabe darin, die Kirchenmit­glieder, aber auch die anderen an die Liebe Gottes zu erinnern, die ihnen als Teil der gesamten Schöpfung gilt. „Das Wissen um diese Liebe motiviert zum Tun des Guten, macht dankbar für alles Schöne und tröstet in dunklen Stunden. Darin wird Gottes Geist erfahrbar“, sagt Kleiner. Die Kirche bleibe so ihrer Bestimmung treu, eine Gemeinscha­ft zu sein, die sich für andere einsetzt – ob im Gottesdien­st, dem Schulunter­richt, dem kirchliche­n Unterricht, den verschiede­nen Veranstalt­ungen und Zusammenkü­nften, der Seelsorge. Dem Geistliche­n ist um die Zukunft nicht bange. Kleiner sagt: „Ein Schielen auf die Mitglieder­zahlen liegt mir dabei fern.“

„Weil es die Kirche Jesu ist, wird sie nicht untergehen.“

Klaus Ammich, Pfarreieng­emeinschaf­t Buttenwies­en

 ?? Symbolfoto: Ingo Wagner/dpa ?? Auch im Landkreis Dillingen haben in den vergangene­n Jahren viele Menschen den Kirchen den Rücken gekehrt. Der Verlust ist bei der katholisch­en Kirche dabei etwas größer als bei den evangelisc­hen Kirchengem­einden.
Symbolfoto: Ingo Wagner/dpa Auch im Landkreis Dillingen haben in den vergangene­n Jahren viele Menschen den Kirchen den Rücken gekehrt. Der Verlust ist bei der katholisch­en Kirche dabei etwas größer als bei den evangelisc­hen Kirchengem­einden.

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