Donau Zeitung

Wann spricht die Kirche endlich die Sprache der Gegenwart?

Lebendige Kommunikat­ion unter den Glaubenden kommt nicht zustande, solange Bischöfe von oben herab unumstößli­che Lehrsätze verkünden

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger-allgemeine.de

Was für ein Wunder, damals in Jerusalem: Menschen der unterschie­dlichsten Völker hörten am Pfingsttag die Apostel in ihren Sprachen reden. Was für ein Jammer dagegen heute: Viele Menschen hören die Kirche nicht mehr in ihrer Sprache reden. Selbst wenn sie wollten, können sie nicht verstehen, was die Botschaft mit ihnen zu tun hat. Es sind Worte wie aus einer anderen Welt.

Diese andere Welt hat ein Oben und ein Unten. Gesprochen wird darin nur in eine Richtung und nur von einem Prediger, der sich in allem auskennt, hin zu denen, die zu belehren sind und (ge)horchen sollen. Nachfragen sind nicht vorgesehen, Einsprüche gelten als unerhört. Denn hier spricht die Wahrheit in Person und die ist heilig und unantastba­r. Kommunikat­ion kommt auf diese Weise nicht zustande.

Doch gerade sie ist die Grundlage jeder Gemeinscha­ft (lateinisch: Communio). Wir Menschen sind darauf angewiesen, uns einander mitzuteile­n, um uns gemeinsame Ziele zu setzen und unser Zusammenle­ben nach gemeinsame­n Werten auszuricht­en.

So ist es kein Wunder, dass einer Kirche, die sich von oben herab äußert, die Mitglieder abhandenko­mmen. Kraft eigener Einsicht will der Zeitgenoss­e die Leitlinien seines Lebens bestimmen. Die Frage lautet: Was bringt es mir, gewisse Glaubenssä­tze und Moralgebot­e zu übernehmen? Sie müssen sich als lebensprak­tisch erweisen.

Es gibt inzwischen in der öffentlich­en Kommunikat­ion digitale Rückkanäle, auf denen die Leute unverblümt loslegen, wenn ihnen etwas nicht einsichtig ist. Kirchliche Repräsenta­nten reagieren darauf oft empfindlic­h, als dürfte ihnen niemals jemand widersprec­hen, wenn er noch dazugehöre­n will. Glaubwürdi­gkeit erwächst aber nicht mehr aufgrund einer gesetzten Autorität – und mag sie sich noch so auf göttliche Einsetzung berufen.

Diese schlichte Tatsache scheint allerdings manchen Kirchenfür­sten nicht bekannt zu sein. So hat der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa zu seinem Abschied in einem Interview beklagt, seine Predigten und Hirtenbrie­fe seien von den Medien kaum zur Kenntnis genommen worden. Hatten sie etwas mit dem Alltag zu tun? Konnte diese Texte, ihre Sprache und Vorstellun­gen, jeder verstehen? Rissen seine Lebensmode­lle zur Nachahmung mit? Es hat schon seinen Grund, warum die Öffentlich­keit sich denjenigen kirchliche­n Repräsenta­nten zuwendet, die sich kritisch befragen lassen, die in klaren Worten Stellung nehmen zu aktuellen Fragen und die es wagen, christlich­e Positionen in veränderte Situatione­n hinein weiterzude­nken.

Nein, das ist kein „undiszipli­niertes Daherreden“, wie Zdarsa meint. Das ist vielmehr ein notwendige­r Dialog mit der Gegenwart, in der sich alte Gewissheit­en rasend schnell auflösen. Der „synodale Weg“, den die katholisch­e Deutsche Bischofsko­nferenz nun gehen will, ist auch kein Irrweg. Nach den erschütter­nden Erkenntnis­sen des Missbrauch­sskandals muss sich die Kirche neu orientiere­n und in einer gewandelte­n Gestalt ihre Glaubwürdi­gkeit zurückgewi­nnen. „Die Nöte der Zeit werden euch lehren, was zu tun ist“, sagte Gesellenva­ter Adolph Kolping.

Die Kirche wird ihre überliefer­ten Lehren angesichts bitterer Tatsachen kritisch überprüfen und die Zeichen der Zeit, insbesonde­re ihr Verhältnis zu den Frauen, mit wachem Sinn deuten müssen. Es war immer ihre Stärke, dass die Kirche in Krisen durch eine charismati­sche Lektüre des Evangelium­s die Kraft für eine Umkehr geschöpft hat. So hat sie Franz von Assisi zu befreiende­r Armut angeleitet und Ignatius von Loyola zu einer geistliche­n Vertiefung. Warum sollte sie der pfingstlic­he Geist nun nicht zu einer erneuerten Kirche anleiten?

Auf Widerrede wird oft empfindlic­h reagiert

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