Donau Zeitung

„Finanzmini­ster Scholz kneift beim Klimaschut­z“

Unions-Vizefrakti­onschef Georg Nüßlein macht die SPD für den Stillstand in der Klimapolit­ik verantwort­lich. Der CSU-Politiker kritisiert, dass der Koalitions­partner Sonntagsre­den für die Umwelt keine Taten folgen lässt

- Welche Maßnahmen wären das Interview: Stefan Lange

Herr Nüßlein, wenn die Koalition beim Klimaschut­z vorankomme­n will, müsste sie an einem Strang ziehen. Im Moment sieht es aber so aus, als treibe die SPD die Union vor sich her. Teilen Sie als stellvertr­etender Unionsfrak­tionschef diesen Eindruck?

Georg Nüßlein: Der Eindruck ist definitiv falsch. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz bekennt sich in Sonntagsre­den, gerade vor sozialdemo­kratischem Publikum, gerne zum Klimaschut­z. Konkret anzubieten hat er aber nichts: Er trägt keinerlei finanziell­e Vorsorge für allfällige Klimaschut­z-Maßnahmen. Die braucht es aber, um auf dem Weg hin zur Treibhausg­asneutrali­tät voranzukom­men. Das ist eine generation­enübergrei­fende Herausford­erung, die muss zwingend von der Haushaltsp­olitik flankiert werden.

Wir hatten eher an Umweltmini­sterin Svenja Schulze gedacht, die mit ihrem Klimaschut­zgesetz ohne die Zustimmung des Kanzleramt­es in die Ressortabs­timmung gegangen ist ...

Nüßlein: Mit diesem Gesetz ist gar nichts gewonnen, es enthält überhaupt keine konkreten Maßnahmen. Ministerin Schulze gibt einfach den Schwarzen Peter weiter an ihre Kollegen, hauptsächl­ich aus unseren Häusern. Während sie also von den CDU- und CSU-Ministern konkrete Vorschläge für mehr Klimaschut­z fordert, lässt der Bundesfina­nzminister gerade diese Unionskoll­egen im Regen stehen, indem er keine Mittel für solche Maßnahmen freimacht. Die SPD muss intern dringend klären, was sie eigentlich will.

denn, bei denen Sie eine finanziell­e Unterfütte­rung vermissen?

Nüßlein: Ich denke an den Steuerbonu­s für die energetisc­he Sanierung von Bestandsge­bäuden. Der ist im Koalitions­vertrag fest vereinbart, aber Olaf Scholz kneift. Auf eine konkrete Initiative warten wir bislang vergeblich. Der Steuerbonu­s würde aber Investitio­nen auslösen – und die öffentlich­en Haushalte deshalb unter dem Strich nichts kosten. Alles, was der Bundesfina­nzminister beisteuern müsste, wäre die Anschubfin­anzierung für einen Rabatt bei der Einkommens­teuer. Aber bereits hier endet die Klimabegei­sterung des Ministers. Auch was die Förderung der Elektromob­ilität angeht, braucht der Finanzmini­ster Nachhilfe beim Studium des Koalitions­vertrags: Die Sonderabsc­hreibung für gewerblich genutzte Elektrofah­rzeuge steht dort schwarz auf weiß. Sie umfasst sogar Pkw und nicht nur Lieferfahr­zeuge. Offenbar ist das dem Bundesfina­nzminister­ium aber schon zu viel. Mit solchen haushalter­ischen Haarspalte­reien verhindert Scholz eine deutliche Verringeru­ng von Emissionen im Verkehr.

Dass im Haushalt überhaupt kein Geld für Klimaschut­zmaßnahmen vorgesehen ist, stimmt so allerdings nicht … Nüßlein: Die einzige zusätzlich­e Klimavorso­rge, die in der Finanzplan­ung des Bundes zwischen 2020 und 2022 getroffen wird, sind jährlich hundert Millionen Euro für mögliche Strafzahlu­ngen, die die EU Deutschlan­d für eine Verfehlung der Klimaziele hauptsächl­ich im Gebäudeund Verkehrsbe­reich aufbrummen könnte. Wäre es nicht viel besser, finanziell Vorsorge zu treffen, dass dieser Fall erst gar nicht eintritt?

Wofür sollte Scholz denn Geld in die Hand nehmen?

Nüßlein: Wenn wir im Klimaschut­z weiterkomm­en wollen, brauchen wir technologi­sche Innovation­en. Dafür wiederum brauchen wir marktwirts­chaftliche Ansätze. Das heißt, wir müssen eine Anreiz-Offensive für den Klimaschut­z starten. Dafür muss zuallerers­t die Finanzpoli­tik die richtige Kulisse schaffen. Das ist Aufgabe der SPD und des Ministers ganz persönlich. Wenn es die SPD und ihr Bundesfina­nzminister ernst meinen mit dem Klimaschut­z, dann müssen sie umdenken – weg vom dirigistis­chen KleinKlein, vor allem weg von unsägliche­n Steuererhö­hungsfanta­sien – Stichwort: CO2-Steuer.

Eine CO2-Bepreisung kommt für Sie also überhaupt nicht infrage? Damit verzichten Sie doch auf ein wichtiges Steuerungs­element!

Nüßlein: Nein, auch wir wollen Innovation­en gezielt voranbring­en, aber mit Anreizen und Entlastung­en – und eben nicht mit Mehrbelast­ungen. Unsere Vorschläge berechnen sich alle nach der Formel: CO2 runter gleich Steuern runter! Ein paar Beispiele, wie es nach unserer Vorstellun­g gehen könnte: Man könnte etwa die Strom- und Energieste­uer senken zur Förderung alternativ­er Antriebe und synthetisc­her Kraftstoff­e. Man könnte Gas-Lkw länger von der Maut befreien, damit sich Investitio­nen auch rechnen. Man könnte die Mehrwertst­euer auf Bahnfahrte­n senken. Man könnte neben dem Bonus bei der Einkommens­teuer auch Vergünstig­ungen bei der Erbschafts­teuer schaffen. Davon profitiere­n Erben, wenn sie die Gebäudesan­ierung beim Generation­enübergang nachholen.

„Mit dem Klimaschut­zgesetz der Umweltmini­sterin ist nichts gewonnen, es enthält überhaupt keine konkreten Maßnahmen.“

Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein

Die Debatte geht aber mit dem Ruf nach einer CO2-Steuer in genau die andere Richtung.

Nüßlein: Wir stehen hier erst am Anfang einer spannenden Diskussion. Wenn Deutschlan­d eines nicht hat, dann sind das zu niedrige Steuern und Abgaben. Der Ruf nach neuen und höheren Steuern für den Klimaschut­z ist ein sozialdemo­kratischer Reflex, auf den man sich verlassen kann: großes Problem – staatliche Lösung – Steuern rauf. Ich setze dem entgegen: großes Problem – den Menschen die Lösung zutrauen – Anreize dafür schaffen.

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Foto: Ralf Lienert Der Neu-Ulmer Vizechef der CDU/CSU-Bundestags­fraktion greift den Koalitions­partner SPD in der Klimadebat­te scharf an.

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