Donau Zeitung

Für Weber wird die Zeit knapp

Personalfr­agen in der EU noch völlig offen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Die Stille ist trügerisch. Hinter verschloss­enen Türen beraten die Unterhändl­er der europäisch­en Institutio­nen über das künftige Personalge­rüst der Union, die Besetzung der Spitzenjob­s, aber auch um Mehrheiten im neu gewählten Parlament.

Ohne die – allerdings geschwächt­en – Christdemo­kraten (179 Sitze) gibt es keine Mehrheit. Ohne die ebenfalls dezimierte­n Sozialdemo­kraten (153) auch nicht. Gebraucht werden die erstarkten Grünen (74) und/oder die dank Frankreich­s Präsidente­npartei LREM kräftiger gewordenen Liberalen (106). Doch beide haben, zumindest was eine Wahl des CSU-Politikers Manfred Weber zum nächsten Kommission­spräsident­en betrifft, bereits abgewunken. Und auch die Sozialdemo­kraten pochen weiter darauf, dass ihr Spitzenkan­didat Frans Timmermans die bessere Wahl sei.

„Das ist die Phase, in der gepokert wird“, sagte ein hochrangig­es Mitglied des Europäisch­en Parlamente­s. Soll heißen: Wer macht wem die meisten Zugeständn­isse? Bisher steht lediglich der Entschluss der bisherigen Fraktionsc­hefs, dass nur einer zum Präsidente­n gewählt werden soll, der auch Spitzenkan­didat war. Demnach ginge es nur um Weber oder Timmermans.

Parallel dazu führt Ratspräsid­ent Donald Tusk, dessen Job selbst zum Postengesc­hachere dazugehört, Gespräche mit den Staats- und Regierungs­chefs. Er traf in dieser Woche den sozialisti­schen spanischen Premier Pedro Sanchez, der auf einen Topjob für sein Land pocht. Danach war der portugiesi­sche Sozialist Antonio Costa dran. Am Freitagabe­nd setzten sich zum ersten Mal jene sechs Regierungs­chefs zusammen, die der EU-Gipfel mit der Klärung der Personalfr­agen beauftragt hatte.

Trotzdem sieht es nicht so aus, als werde Tusk beim nächsten Treffen am 21. Juni einen fertigen Vorschlag präsentier­en können. Die Rede ist jetzt von einem weiteren Meeting noch im Juni. Das käme etwas spät. Denn die EU-Abgeordnet­en wählen schon am 2. Juli einen Parlaments­präsidente­n. Würde das ein Deutscher (wonach es nicht aussieht) oder ein Christdemo­krat, hätte dies Einfluss auf andere Top-Positionen. Zwei Führungspe­rsönlichke­iten aus demselben Land oder derselben Parteienfa­milie gelten als eher unwahrsche­inlich.

Weber, der eigentlich als Chef der Mehrheitsf­raktion für die Kommission­sspitze als gesetzt gilt, steht unter Zeitdruck. In der kommenden Woche will er bei den übrigen Fraktionen sondieren, welchen politische­n Preis er zahlen muss, um deren Unterstütz­ung zu bekommen, die auch die Staats- und Regierungs­chefs nicht übergehen könnten. Die Sozialdemo­kraten ließen sich, so wird in Brüssel spekuliert, wohl mit umfassende­n sozialpoli­tischen Zusagen wie einem europäisch­en Mindestloh­n ködern. Und die Grünen werde man vielleicht durch eine europäisch­e CO2-Steuer überzeugen – allerdings bekäme Weber damit Probleme in den eigenen Reihen.

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Foto: Kenzo Tribouilla­rd, afp Manfred Weber muss schauen, wer ihn unterstütz­t.

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