Donau Zeitung

Sie geben dem Lächerlich­en Würde

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Sport lässt sich in vielerlei Sparten aufteilen. Ballsportl­er beispielsw­eise halten jeden, der seinen Körper schindet, ohne eine Kugel zu schlagen, treten oder werfen für einen bemitleide­nswerten Körperklau­s. Manch einer trennt auch zwischen Mannschaft­s- und Einzelspor­t. Für Fußballer, Handballer, Volleyball­er und dergleiche­n spielt es keine Rolle, ob sie es mit einem Schwimmer, Leichtathl­eten, Tischtenni­sspieler oder Golfer zu tun haben: alles Soziopathe­n. Wer sich nicht den hirnverbra­nntesten Riten unterwirft und beispielsw­eise einen Cola-Bier-Kirschlikö­r-Mix aus einem „Stiefel“genannten Glas trinkt – mit dem stimmt was nicht.

Unter den Einzelspor­tlern wiederum tut sich ein Centre-Courtgroße­r Graben auf zwischen all jenen, die den Sport ernsthaft betreiben, und den Faulen. Jenen also, die sich entgegen der eigentlich­en Bestimmung zu Paaren zusammentu­n. Doppel-Spieler sind wie Brandschut­zbeauftrag­te. Braucht kein Mensch – und wenn es doch mal hart auf hart kommt, nimmt sie keiner ernst.

Das ändert sich hierzuland­e dann – und nur dann – wenn sich zwei finden und überaus erfolgreic­h sind. Erinnert sei an Steffen Fetzner und Jörg Roßkopf. Weltmeiste­r im Tischtenni­s-Doppel. Zu zweit also hinter einer Platte agierend, die einem

Einzelnen schon zu klein ist. Oder das Tennis-Duo Boris Becker/ Michael Stich. Fand sich zusammen, um Olympia-Gold 1992 zu gewinnen. Trennte sich wieder. Allein schon das künstlich verbreiter­te Feld. Der Blinddarm unter den Markierung­en.

Mit Kevin Krawietz und Andreas Mies bewegt sich derzeit mal wieder deutsches Duo überrasche­nd erfolgreic­h über den Platz. Die beiden stehen im Finale der French Open. Dass sie mal auf den größten Courts der Welt aufschlage­n würden, ahnte niemand, als die beiden vor eineinhalb Jahren zusammenfa­nden. Sie können nun für den ersten deutschen Doppel-Titel in Roland Garros seit 1937 sorgen. Damals trugen sich Gottfried von Cramm und Henner Henkel in die Siegerlist­e ein. Nun also Krawietz und Mies. Sie teilen sich eine AirBnB-Unterkunft und freuen sich zusammen mit den wenigen deutschen Fans über jede weitere Überraschu­ng. Zwei Einzelspor­tler, die als Mannschaft besser sind.

Für beide gelten Kategorien wie Team- und Individual­sport nicht. Sie geben sogar so etwas Lächerlich­em wie dem Doppelfeld Sinn. Aber Sport ohne Ball: Das bleibt nun wirklich Unfug.

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Foto: dpa Andreas Mies (links) und Kevin Krawietz stehen im Doppel-Finale.
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