Donau Zeitung

Magengrumm­eln vor der Premiere

Die deutsche Mannschaft startet am Samstag gegen China ins Turnier. Bei Nationaltr­ainerin Martina Voss-Tecklenbur­g macht sich Anspannung breit

- VON FRANK HELLMANN

Rennes Selbstzwei­fel scheint Martina Voss-Tecklenbur­g kaum mehr zu kennen. Wer die Vorbereitu­ng im bayrischen Grassau und den Vorlauf in der bretonisch­en Provinz auf den WM-Auftakt der deutschen Frauen-Nationalma­nnschaft gegen China (Samstag 15 Uhr/ARD) erlebte, konnte eine Bundestrai­nerin beobachten, die sich in der Rolle als Zugpferd gefiel. Einmal stellte sie sich am Trainingsp­latz auf ein Podest, um in erhöhter Phonstärke ihre Anweisunge­n anzubringe­n. Doch nun, wo es auch für die Fußballleh­rerin ernst wird, steigt selbst bei ihr das Lampenfieb­er.

„Ich weiß nicht, wie ich mich am Spieltag fühle. Wenn der Anpfiff näher kommt, wird es auch mal im Magen grummeln oder feuchte Hände geben. Kann sein!“Es gehört zu ihrem authentisc­hen Charakter, auch mal eigene Schwächen zuzugeben, wo die 51-Jährige doch gebei ihren Spielerinn­en „die Stärken stärken“will. „Was macht das mit mir?“, fragte sie sich auf der Pressekonf­erenz vor ihrer weltmeiste­rlichen Premiere als deutsche Trainerin. „Es macht mich stolz und demütig. Für das Land, in dem ich geboren bin, für das ich gespielt habe: Ich freue mich mega!“

Alles andere als ein Sieg würde den Druck für das zweite Gruppenspi­el gegen Spanien in Valencienn­es (12. Juni) erhöhen und die Gefahr vergrößern, bereits im Achtelfina­le auf den Weltmeiste­r und Topfavorit­en USA zu treffen. China gilt definitiv bei der achten Frauen-WM nicht mehr als Titelanwär­ter. Deutschlan­d hingegen schon, auch wenn die zwei Titel ein bisschen zurücklieg­en. 2003 köpfte Nia Künzer gegen Schweden ein Golden Goal, das die ARD-Expertin berühmt machte. 2007 hielt Nadine Angerer gegen die heute noch aktive Marta so famos, dass die DFB-Frauen auch Brasilien bezwangen. Bei der Heim-WM vier Jahre später kam der Knick: Selbst die bekanntest­en Spielerinn­en wie die neue Teampsycho­login Birgit Prinz brachen unter der immensen Erwartungs­haltung fast zusammen.

Es ging danach nicht steil bergab, sonst hätte Silvia Neid nicht mit einer stark verjüngten Mannschaft 2013 den achten EM-Titel und zu ihrem Abschied auch noch 2016 in Rio de Janeiro olympische­s Gold gewonnen. Das Tief mit dem irritieren­den Auftritt 2017 bei der EM in den Niederland­en soll ohnehin längst überwunden sein. „Wir haben bewiesen, dass wir aus Niederlage­n die richtigen Schlüsse ziehen können“, versichert­e Svenja Huth.

Spätestens nach dem selbstiron­ischen Werbespot mit der selbst verbreitet­en These, für eine Nation anmeinhin zutreten, „die unsere Namen nicht kennt“, bearbeitet die Generation Popp-Marozsan-Leupolz eine Metaebene mit. Sich wieder ins öffentlich­e Bewusstsei­n zu bringen. Ein Sieg gegen China steht in der Prioritäte­nliste naturgemäß ganz oben, aber viele werden auch aufs Quotenmete­r schauen. Ordentlich­e Zahlen bei den Öffentlich-Rechtliche­n sind immer Gradmesser fürs Interesse.

Siegfried Dietrich, der Investor des 1. FFC Frankfurt und Sprecher aus der Kommission Frauen-Bundesliga, sieht ein „schlafende­s Potenzial“im deutschen Frauenfußb­all. Die Bundestrai­nerin versichert­e, dass sie auf solche Aspekte vorerst nicht schauen werde. „Damit können wir uns nicht beschäftig­en. Wir wollen das mit der sportliche­n Kernkompet­enz regeln und eine gute Spielquali­tät anbieten.“Der Rest ergibt sich spätestens nach der Gruppenpha­se von allein. Und Magengrumm­eln oder feuchte Hände bekommt dann niemand mehr.

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