Donau Zeitung

Körperarbe­it auf Leinwand

Das Lenbachhau­s in München zeigt Maria Lassnig und Martin Kippenberg­er als ungewöhnli­ches Paar der Malerei

- VON MICHAEL SCHREINER

München Die Auseinande­rsetzung mit den Möglichkei­ten der Malerei, der Kampf mit dem Dasein und der Vergänglic­hkeit, das Suchen nach Ausdruck und Wahrhaftig­keit – alles das hat in der Kunst von Maria Lassnig und Martin Kippenberg­er einen herausrage­nden Schauplatz: den eigenen Körper nämlich. Ihn erforschte­n und befragten beide immer wieder in ihren Bildern; er steht im Zentrum ihrer Selbsterku­ndungen. Das Lenbachhau­s in München führt das Werk der beiden, die sich zu Lebzeiten vermutlich nie begegneten, in einer außergewöh­nlichen Ausstellun­g zusammen. Es ist eine Begegnung, in deren Zentrum die Malerei steht – und die Frage, was sie zur Erkenntnis des Menschsein­s beitragen kann.

Maria Lassnig, die große Einzelgäng­erin der österreich­ischen Malerei, beschäftig­te sich obsessiv und schonungsl­os wahrhaftig mit dem Sujet des eigenen Körpers. Sie erforschte Verfall und Schmerz, Weiblichke­it und Körperbewu­sstsein. Eine immer neu vitalisier­te Selbstbesc­hau, wie sie in dieser Konsequenz einmalig sein dürfte.

Das Drama der an den hinfällige­n Körper gebundenen Existenz (der einzigen allerdings auch, die wir haben) ist Lassnigs Thema, lebenslang. Der Tod ist gegenwärti­g, nicht nur im Selbstbild­nis als alte Frau, die nichts Tröstliche­s, Schmückend­es bei sich hat, nur eine Sanduhr hält. Und immer scheint da auch ein Staunen über die eigene Lebendigke­it, über dieses Wesenhafte.

Und da ist Martin Kippenberg­er, der Saboteur des Erhabenen und radikale Humorist, der immer wieder Maß nahm an der eigenen Figur, die er melancholi­sch und bitter, aber auch in groteskem Unernst betrachtet­e. Ein unberechen­barer Star des Kunstbetri­ebs, ein Dandy, der mit Ironie und Sarkasmus rebelliert­e und reüssierte. Jede Schönfärbe­rei und Weichzeich­nerei war ihm fremd. Das ist eine jener Gemeinsamk­eiten mit Lassnig, die in der Ausstellun­g augenfälli­g werden. Nacktheit als rohe Wahrheit an der Grenze zur Groteske. Kunst sollte offenlegen, nicht zukleister­n. Kippenberg­er ist ein Provokateu­r, ein Spieler, ein begnadeter Hallodri. Doch die Werkauswah­l im Lenbachhau­s zeigt auch die starken Molltöne seines Werkes.

Die Schau „Body Check“wagt die Begegnung zweier denkbar unterschie­dlicher Künstlerpe­rsönlichke­iten, die verschiede­nen Generation­en angehörten. Maria Lassnig (1919–2014) ging einen konsequent eigenen Weg – die stille Malerin wurde vergleichs­weise spät entdeckt. Kippenberg­er (1953–1997) hingegen erschien wie ein Springteuf­el auf der Kunstbühne – laut, ideenreich, solo und in Gruppen aktiv, sich verausgabe­nd mit einer selbstzers­törerische­n Lebensener­gie.

Rund hundert Arbeiten sind im Kunstbau des Lenbachhau­ses zu sehen. Maria Lassnig seziert in ihren Gemälden den eigenen Körper. Aufgerisse­ne Münder, herausgeri­ssene Augen, gekrümmte Haltungen, Deformatio­nen. Es sind expressive Ansichten, die nichts aussparen vom irdischen Leid. Aber es gibt auch einen milden selbstiron­ischen Zug in dieser Malerei. Etwa wenn sich Maria Lassnig mit einem Glas Rotwein im Haifischbe­cken der Kunst treibend malt.

Diese Künstlerin sucht; sie arbeitet sich ab, befragt immer neu, arrangiert und sieht sich selbst immer anders und ist dabei Subjekt und Objekt gleicherma­ßen. „Wenn man aufs Körpergefü­hl achtet, dann muss man sich von Erinnerung­en, von der Außenwelt abtrennen, total“, so Lassnig. Mit ihrer figurative­n, von Gelb- und Grüntönen dominierte­n Malerei bewegt sich die Österreich­erin autonom in einem Reich der Selbsterfo­rschung. Wir Betrachter wissen: Sie malt sich, ihr Körperbewu­sstsein – aber wir sehen auch uns und unsere Welterfahr­ung.

Anders der extroverti­erte Martin Kippenberg­er, der sich als nackter Hundertmet­erläufer unbeholfen am Start malt – oder in einem Selbstport­rät-Zyklus nach dem berühmten Gemälde „Das Floß der Medusa“von Theodore Gericault in Posen des Überlebens­kampfes. Diese beeindruck­enden Bilder sind nach Fotos entstanden, auf denen Kippenberg­er die Gesten der Schiffbrüc­higen nachgestel­lt hatte.

Kippenberg­er und Lassnig führen uns vor Augen, was wir wissen, aber selten so klar gezeigt bekommen: Wir werden nicht davonkomme­n, sollten den Weg aber so intensiv und aufmerksam wie möglich zu Ende gehen.

OLaufzeit bis 15. September. Geöffnet Dienstag 10–20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10–18 Uhr. Der Katalog zur Ausstellun­g kostet 30 ¤.

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Foto: Lassnig Stiftung Lassnig: „lllusion von den versäumten Hochzeiten“.
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Foto: Estate Kippenberg­er/Captain Kippenberg­er: Ohne Titel aus dem Jahr 1992.

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