Ein „unverwüstlicher Optimist“wird 75
Lauingens Altbürgermeister Georg Barfuß hat am Pfingstmontag Geburtstag. Wie es ihm heute geht und warum er nicht feiern will
Lauingen 25 Minuten. Das ist neuer Rekord. So lange braucht Georg Barfuß mittlerweile „nur“noch, um zwölf Stangen Spargel zu schälen. Ein Erfolg. Vor wenigen Wochen brauchte er dafür noch fast doppelt so lang – und selbst diese Zeit ist angesichts seiner Erkrankung ein großer Fortschritt. „Es ist anstrengend, aber ich lerne dazu und versuche Schritt für Schritt weiterzukommen“, sagt Barfuß. Und genau so kennt man Lauingens ehemaligen Bürgermeister, den früheren Landtagsabgeordneten, einstigen Lehrer und bis heute tätigen Kreisrat: immer aktiv, immer am Ball und immer nah am politischen Geschehen seiner Heimat dran. Trotz seiner schweren Erkrankung und auch mit 75 Jahren. Diesen Geburtstag kann Georg Barfuß, „Mister FDP“, am Pfingstmontag feiern – was er aber nicht tun will, wie er sagt. „Erst am 80. Geburtstag wieder“, so Barfuß. Dabei hat der Lauinger allen Grund zu feiern. Denn vor rund vier Jahren war von einem Tag auf den anderen nichts mehr so, wie es einmal war.
Es war der 27. Februar 2015. Der FDP-Kreisrat will in seinem Haus auf die Toilette gehen, torkelt, fällt hin und kann nicht mehr aufstehen. Mit Müh und Not kann er zu seinem Handy im Schlafzimmer robben und Hilfe rufen. Die schockierende Diagnose im Bezirkskrankenhaus Günzburg lautete: Georg Barfuß leidet an einer seltenen Nervenkrankheit, dem sogenannten GuillainBarré-Syndrom. Dabei werden die Extremitäten und inneren Organe gelähmt. Weil die Ärzte Angst hatten, dass er ersticken könnte, wurde er ins künstliche Koma versetzt. Als Georg Barfuß wieder aufwacht, kann er weder selbst atmen noch sprechen. Er liegt regungslos, gefangen im eigenen Körper, da. Ein Schock für das Energiebündel. Von 1986 bis 2004 war er Lauingens Bürgermeister – und bis dato waren die Geschehnisse in der Donaustadt, seiner Heimat, ihm ein besonderes Anliegen, im Hintergrund mischte Barfuß auch nach seiner Amtszeit tatkräftig mit.
Bis zum 27. Februar. Dann ist auf einmal alles anders. Fünf Monate verbringt der 71-Jährige anschließend im Therapiezentrum in Burgau. In einem Interview mit unserer Zeitung sagte er damals: „Es ist schon eine Prüfung, die mir der liebe Gott auferlegt.“Eine, die Barfuß annimmt.
Mittlerweile sind mehr als vier Jahre vergangen und Lauingens Altbürgermeister sagt, dass es ihm gut gehe. Er sei glücklich und zufrieden. Vor allem mit seinem Leben mit Ehefrau Irina. „Ich bin ein unverwüstlicher Optimist und ein gläubiger Christ. Ich habe keinen Grund zum Jammern. Auch wenn andere bestimmt gesünder sind als ich“, sagt er mit einem Lächeln. Barfuß erzählt, dass er mithilfe seines Therapeuten heute sogar selbstständig Nordic Walking machen kann. Spülmaschine ausräumen klappt dagegen noch nicht, in den Fingern fehlen noch die notwendigen Muskeln. Mithilfe seines Keyboards versucht er immer wieder, mit den Fingern die Tonleiter rauf und runter zu spielen – es mache ihm Spaß, wie er sagt, und helfe bei der Beweglichkeit und dem Muskelaufbau. Er brauche einfach viel Geduld, wie er erzählt. Ein Grund, warum der 75-Jährige noch nicht selbstständig gehen kann. Was ihn aber nicht ans Haus bindet. Ganz im Gegenteil.
Mit Rollstuhl und Gehhilfe ist Barfuß in seiner geliebten Heimatstadt viel unterwegs. Dienstag und Freitag ist er im Therapiezentrum in Burgau und arbeitet fleißig an seiner vollständigen Genesung. Mit seiner Ehefrau Irina geht er regelmäßig in die Kirche, den sonntäglichen TVGottesdienst um 9.30 Uhr verpasst er nie. „Das ist mir sehr wichtig.“Und bei den Kreistagssitzungen im Dillinger Landratsamt fehlt er in der Regel auch nicht. Wobei er dieses politische Amt im nächsten Jahr niederlegen will. Es reicht nach 42 Jahren, wie er sagt. „Hinzu kommen 28 Jahre Stadtrat, fünf Jahre Landtagsabgeordneter, und als Lehrer und Professor habe ich mehr als 4500 Schüler und Studenten hoffentlich positiv beeinflusst“, sagt er. 18 Jahre war er zudem das Oberhaupt der Stadt, vor wenigen Jahren wurde er zum Altbürgermeister seiner Heimatstadt ernannt. „Ich kämpfe auch heute noch. Ich setze mich für Europa und die Demokratie ein und helfe nach wie vor mit“, sagt der FDPler. Auch mit 75.
In fünf Jahren will er seinen runden Geburtstag „gscheit“feiern, wie er sagt. An diesem Pfingstmontag freue er sich schlicht auf Zeit mit seiner Frau. Und leckere Rinderrouladen mit breiten Nudeln und einem Salat. „Mehr will ich nicht.“