Donau Zeitung

Uralter Held mit ewigem Leben

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Thomas Mann ließ den Giganten im Roman „Joseph und seine Brüder“mehrmals auftauchen. Hans Henny Jahnn hat sein Romanwerk „Fluss ohne Ufer“dem Halbgott gewidmet. Film-Schaffende, Fantasy-Autoren und Computersp­iel-Entwickler haben sich bei ihm bedient. Sein Name: Gilgamesch. Er ist der Held eines der ältesten Literaturw­erke, Hauptfigur eines Epos aus der Frühgeschi­chte des Zweistroml­andes. Erstmals vor rund 4670 Jahren aufgeschri­eben, wurde er in immer neuen Etappen nacherzähl­t.

Das Gilgamesch­epos hat Alter- tumsforsch­er, Linguisten und Theologen gleicherma­ßen fasziniert. Warum Theologen? Weil ein Teil der Gilgamesch-Geschichte von einer Sintflut handelt, die (fast) alles Leben vernichtet­e. Nur einer erhielt von göttlicher Seite vorab eine Warnung, baute ein Schiff, brachte seine Familie und Tiere an Bord – und überlebte den großen Regen. Klarer Fall: eine Noah-Geschichte, wie die des alten Testaments. Nur dass der Noah des Gilgamesch­epos Utnapischt­im hieß. Die zweifach erzählte Geschichte ist ein (nicht der einzige) Hinweis darauf, dass die Sintflut der Bibel einen historisch­en Hintergrun­d hat. Für Schrift-, Sprach- und Altertumsf­orscher ist das Gilgamesch­epos eine fantastisc­he, aber chaotische Fundgrube.

Das Epos gilt als der ausführlic­hste Text in Keilschrif­t. Viele der Tontafeln stammen aus der sensatione­llen Bibliothek des babylonisc­hen Königs Assurbanip­al, der stolz darauf war, selber lesen zu können. Die größte Sammlung befindet sich im Britischen Museum. Die Tontafeln bieten den Forschern bis heute regelrecht­e Puzzle-Aufgaben. Denn es gibt das Gilgamesch-Abenteuer in mehreren Versionen, Bruchstück­en und Sprachen. Die älteste Fassung ist die der Sumerer. Aber da ist auch noch der Gilgamesch auf babylonisc­h aus unterschie­dlichen Sprach-Epochen. Und die Hethiter, diese indoeuropä­ischen Zugereiste­n aus dem Norden, haben sich ebenfalls die Geschichte des Gilgamesch angeeignet.

Es ist eine typische Heldengesc­hichte: Großtaten, Kämpfe, Liebesaben­teuer und dazu eine Männerfreu­ndschaft. Denn Gilgamesch hat Enkidu, erst Rivale, dann Abenteuerp­artner, der mit ihm durch dick und dünn geht. Als der stirbt, wagt sich Gilgamesch – wie später Orpheus – sogar hinab in die Unterwelt. Es ist die Urgeschich­te vieler Geschichte­n.

Vor 4670

Jahren

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