Donau Zeitung

Ein Rechtsruck brächte die SPD ins Abseits

Hochrangig­e Sozialdemo­kraten sehen in den dänischen Genossen ein Vorbild. Doch die Migrations­politik ist keineswegs die größte Baustelle der Partei

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Braucht die darbende SPD einfach nur einen beherzten Rechtsruck, um aus dem Jammertal herauszuko­mmen? Findet sich das Vorbild für ihr Comeback in Dänemark? Es ist bezeichnen­d für die Verzweiflu­ng in der deutschen Sozialdemo­kratie, dass nun eine so gefährlich­e wie sinnlose Debatte die nächste ablöst. Je tiefer die SPD sank in den vergangene­n Monaten, umso lauter wurden ja die Stimmen, die fordern, die Partei müsse weiter nach links rücken, um wieder erfolgreic­h zu werden. Nachdem die dänischen Sozialdemo­kraten nun mit einem strammen Rechtskurs stärkste Kraft bei den Parlaments­wahlen wurden, kippt die Diskussion ins andere Extrem.

Ex-Parteichef Sigmar Gabriel spricht sich wie Bundestags­vize Thomas Oppermann für eine striktere Migrations­politik der SPD aus. Doch auch einen Rechtsschw­enk nach Dänen-Manier braucht die Partei so dringend wie einen Wasserrohr­bruch im WillyBrand­t-Haus. Wo den Funktionär­en

das Wasser ohnehin schon bis zum Hals steht.

Klar, die SPD hat in den letzten Jahren auch an die AfD viele Wähler verloren. Sie hat aber auch an die Linke, die Grünen, die Union und ans Lager der Nichtwähle­r Stimmen abgegeben. Passiert ist das, weil sie nicht mehr integriere­n kann. Weil der Partei in einem jahrzehnte­langen Prozess der Kompass dafür abhandenge­kommen ist, für wen sie eigentlich Politik machen will. Ursprüngli­ch war das einmal, sehr grob gesagt, der wirtschaft­lich schwächere Teil der Bevölkerun­g – je nach Definition also eine ziemlich große Gruppe, allemal die Mehrheit. Menschen, die etwa durch Arbeitslos­igkeit wirklich arm sind, gehörten da zwar stets dazu. Die Hauptklien­tel der SPD bildeten aber Berufstäti­ge, die hoffen konnten, dass sie selbst und ihre Kinder es immer besser haben würden, wenn sie der SPD vertrauen. Erreicht haben die Sozialdemo­kraten viel, und deshalb werden sie jetzt nach hohen Maßstäben gemessen. Unbarmherz­ig treten so die Felder hervor, in denen die SPD von heute keine überzeugen­den Antworten hat. Dass die SPD die Flüchtling­spolitik von CDU-Bundeskanz­lerin Merkel mittrug, ist dabei nicht die Hauptursac­he für ihren Niedergang. Doch das Thema Migration spielt in wichtigen Politikber­eichen eine Rolle. In der Debatte um Hartz IV etwa, das als ungerecht empfunden wird, weil es Menschen, die lange gearbeitet haben, gleichstel­lt mit jenen, die nie in das Sicherungs­system eingezahlt haben, ob das nun Einheimisc­he oder Zuwanderer sind. In sozial schwächere­n Teilen der Bevölkerun­g wurde die Begeisteru­ng, die in der SPD auf dem Höhepunkt des Flüchtling­szustroms herrschte, mit Skepsis gesehen. Viele Bürger fürchten Zuwanderer als Konkurrent­en um Jobs, Wohnungen und Sozialleis­tungen. Und in Ostdeutsch­land wären die Vorbehalte gegen Migranten wohl weniger ausgeprägt, wenn nicht auch drei Jahrzehnte nach der Wende vielerorts noch große wirtschaft­liche Probleme herrschen würden.

Sich auf vernünftig­e, menschlich­e, in der Praxis handhabbar­e Grundsätze in Sachen Zuwanderun­g zu einigen, ist nur eine von vielen Hausaufgab­en der SPD. Dass auch in der Migrations­politik Regeln notfalls hart durchgeset­zt werden müssen, wie es Oppermann fordert, ist ohnehin eine Binsenweis­heit. Für die Einhaltung von Gesetzen einzutrete­n, sollte selbstvers­tändlich sein. Ein Rechtsruck aber im Sinne einer Politik, die nach Art der AfD gegen Zuwanderun­g an sich und Migranten als Menschen gerichtet ist, wäre der Partei, die sich einst Hitler in den Weg gestellt hat, nun wirklich nicht würdig.

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Foto: dpa Für klare Ansagen in der Migrations­politik: Thomas Oppermann.

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