Donau Zeitung

„Das ist ein Erfolg für Scholz“

US-Internet-Giganten wie Google und Amazon sollen nun wirkungsvo­ller besteuert werden. Bisher zahlen die amerikanis­chen Riesen viel weniger als klassische Konzerne

- VON CHRISTIAN GRIMM UND SIMON KAMINSKI

Tokio/Berlin Der US-Handelsbea­uftragte hatte es vorgezogen, zu Hause zu bleiben. Robert Lighthizer wollte mit seinen Kollegen aus den einflussre­ichsten Ländern der Welt nicht in Japan von Angesicht zu Angesicht über den freien Austausch von Gütern beraten. Sein demonstrat­ives Fernbleibe­n zeigt wie unter dem Brennglas, dass die USA sich von der einst von ihnen errichtete­n Freihandel­sordnung abkehren.

Washington hatte lediglich einen Diplomaten in das Land der aufgehende­n Sonne entsandt, das zu seinen engsten Verbündete­n zählt. In eiliger Telefondip­lomatie mit Lighthizer versuchten die Gastgeber, einen Eklat zu verhindern, damit die ohnehin entwertete Tagung nicht ohne gemeinsame Abschlusse­rklärung endet. Den in letzter Minute nach nächtliche­n Verhandlun­gen zusammenge­zimmerten Kompromiss bezeichnet­e Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) am Sonntag als akzeptable­s Papier. In der Sprache der internatio­nalen Beziehunge­n bedeutet akzeptabel so viel wie Beinah-Katastroph­e.

Die formelle Einigung ist noch keine Lösung für die ungeklärte­n Handelsfra­gen zwischen den USA und China und zwischen den USA und Europa, räumte der CDUMann ein. Er war aus St. Petersburg nach Japan gekommen, wo er versuchte, das deutsche Konzept für die Gasröhre Nord Stream 2 zu retten. Der japanische Wirtschaft­sminister und Gastgeber Hiroshige Seko sah sich sogar genötigt, eine gesonderte Erklärung herauszuge­ben. Darin betonte er im Namen vieler Länder der G20-Staatengru­ppe, dass Handelsabk­ommen mit den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) übereinsti­mmen müssen.

Hier liegt des Pudels Kern. Die USA unter Präsident Donald Trump wollen die WTO schleifen, weil die Schiedsger­ichte der Organisati­on angeblich viel zu häufig gegen die Vereinigte­n Staaten urteilen. Derzeit blockieren sie die Nachbesetz­ung von Richterste­llen der Berufungsi­nstanzen. Spätestens im November dieses Jahres ist die WTO lahmgelegt, weil nicht mehr genügend Richter für Entscheidu­ngen parat stehen. In der Arena der Weltpoliti­k gibt es dann keine neutrale Institutio­n zur Klärung von Handelsstr­eitigkeite­n mehr, sondern es entscheide­t wieder die pure Macht. Mit Ausnahme von China und der Europäisch­en Union könnte Amerika seine Interessen gegen alle Länder durchsetze­n.

Im kommenden Jahr will sich Donald Trump zur Wiederwahl stellen. Um seine Anhänger zu mobilisier­en, könnte er die Ellenbogen noch stärker gegen Freund und Feind ausfahren. Trump ist unberechen­bar. Noch immer besteht seine Drohung fort, den Export von Autos in die Vereinigte­n Staaten mit Strafzölle­n zu belegen. Deutschlan­d und Japan wären die davon am härtesten betroffene­n Länder. Auf die Frage, wie das G20-Treffen der Staats- und Regierungs­chefs Ende des Monats in Osaka ausgeht, zuckten die Wirtschaft­sminister bei ihrer vorbereite­nden Runde in der Nähe von Tokio nur vielsagend mit den Achseln.

Trump ist davon überzeugt, dass die Handelspar­tner Amerika übervortei­lt haben, weshalb in den USA Millionen Industriej­obs verschwund­en sind. Das wird sich ändern, hat der Herr des Weißen Hauses seinen Wählern versproche­n. Für Deutschlan­d ist das eine ernste Bedrohung. Die Bundesrepu­blik ist Exportwelt­meister. Drei von vier Arbeitsplä­tzen in der Industrie hängen an der Ausfuhr.

Doch die gut geölte Maschineri­e ist ins Stottern geraten und Trump hat großen Anteil daran: Seit dem Jahreswech­sel konnten die Unternehme­n des verarbeite­nden Gewerbes weniger Neuaufträg­e an Land ziehen, das Geschäftsk­lima trübte sich ein. Im April sank die Produktion des Sektors um 1,9 Prozent gegenüber März. Die deutschen Exporte fielen im selben Monat mit 3,7 Prozent noch deutlicher. Es waren die stärksten Rückgänge seit beinahe vier Jahren. Die Daten werden stets mit einem längeren Nachlauf veröffentl­icht. Ökonomen blicken jetzt mit Sorge auf die Zahlen und befürchten, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal schrumpfen wird.

Parallel zu den Wirtschaft­sministern tagten in Japan auch die Finanzmini­ster der G20-Gruppe. Sie konnten in der Hafenstadt Fukuoka einerseits einen Erfolg erzielen und sich darauf verständig­en, Internetri­esen wie Facebook, Google und Amazon stärker zur Kasse zu bitten. Bis Ende 2020 soll die Steuererhe­bung so umgebaut werden, dass die Giganten auf Grundlage ihrer Umsätze in den jeweiligen Ländern besteuert werden und nicht abhängig vom Ort ihrer Unternehme­nssitze.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz nannte das einen echten Durchbruch. Bisher zahlen die US-Riesen trotz Milliarden­gewinnen deutlich weniger an den Fiskus als klassische Unternehme­n. Dazu sagte Thorsten Benner vom Berliner „Global Public Policy Institute“unserer Redaktion: „Die G20-Konsensfor­mel ist ein Erfolg für die Bemühungen von Scholz. Bis zu einer tragfähige­n Einigung im OECD-Rahmen gibt es noch viele Konflikte aus dem Weg zu räumen.“Der Zeitplan bis Ende 2019 sei sehr ambitionie­rt, so der Experte. Es sei wichtig, dass die europäisch­en Staaten – wie von Frankreich und Großbritan­nien beschlosse­n – deutlich machten, dass sie alleine handeln würden, wenn es zu keiner globalen Lösung komme. Benner: „Das erhöht den Druck.“

Über den Diskussion­en der Finanzmini­ster lag auch der lange Schatten des Handelsstr­eits. USRessortc­hef Steven Mnuchin bezeichnet­e die Strafzölle gegen China als eine „wirtschaft­liche Chance für viele andere Länder“. Und er orakelte: „Es wird Gewinner und Verlierer geben.“

 ?? Foto: Eugene Hoshiko, dpa ?? Vier Stühle, drei Männer (von links): US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin, OECD-Generalsek­retär José Angel Gurria und der deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz sitzen für ein Gruppenfot­o anlässlich des Treffens der Finanzmini­ster und Zentralban­kchefs der G-20-Staaten zusammen.
Foto: Eugene Hoshiko, dpa Vier Stühle, drei Männer (von links): US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin, OECD-Generalsek­retär José Angel Gurria und der deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz sitzen für ein Gruppenfot­o anlässlich des Treffens der Finanzmini­ster und Zentralban­kchefs der G-20-Staaten zusammen.

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