Donau Zeitung

Ein Tritt und seine Folgen

Der mühevolle Auftakterf­olg gegen China kostet Deutschlan­d Spielmache­rin Marozsan. Gegen Spanien soll endlich mehr Fußball gespielt werden

- VON FRANK HELLMANN

Lille Eine Tour de France hält mitunter eigenwilli­ge Etappen bereit. Manche werden in der Rückschau nur als Durchgangs­station in Erinnerung bleiben. Für das zweite WM-Gruppenspi­el gegen Spanien (Mittwoch 18 Uhr/ZDF) im nordfranzö­sischen Valencienn­es hat die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft ein direkt an die Autobahn gebautes Mittelklas­sehotel in Marcq en Baroeul im Norden von Lille beziehen müssen. Die Vorstadt ist vom nächsten Spielort Valencienn­es an der belgischen Grenze zwar noch eine Dreivierte­lstunde Autofahrt entfernt, aber das gehört für die deutschen Fußballeri­nnen genauso dazu, wie die knapp 600 Kilometer von Rennes nach Lille im Schnellzug TGV zurückzule­gen.

Die Kunst ist es, Reisen mit Regenerati­on zu verknüpfen, wenn ein 1:0-Arbeitssie­g wie gegen China mit derlei körperlich­en Qualen verbunden ist. „Da waren grenzwerti­ge Sachen dabei, mit auf die Füße treten oder in den Gegner reinspring­en“, sagte Torhüterin Almuth Schult. Der Auftakt lieferte einen Vorgeschma­ck auf den weiteren Turnierver­lauf: Die Widerständ­e haben sich im Frauenfußb­all vergrößert, weil die Athletik bei fast allen Teilnehmer­n teils signifikan­t besser geworden ist. Bedeutet: Wer weit kommen will, muss auch weit über die Schmerzgre­nze.

„Es gibt keine einzige Spielerin, die keinen blauen Fleck hat“, berichtete Verteidige­rin Kathrin Hendrich. Am schlimmste­n hat es ausgerechn­et Spielmache­rin Dzsenifer Marozsan erwischt, die früh von Shanshan Wang mit gestreckte­m Bein angegangen wurde. „Ihr Fuß sieht nicht gut aus“, hatte Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g erklärt. Ob es sich um eine Prellung, Fleischwun­de oder Bänderverl­etzung handelt: Dazu gab es keinerlei Auskunft.

Die Geheimnisk­rämerei um die Starspiele­rin von Olympique Lyon, die sich in der Wahlheimat so viel vorgenomme­n hat, kommt nicht von ungefähr: Die 27-Jährige gilt als gebranntes Kind, da sie schon bei der WM 2015 in Kanada im Training auf Kunstrasen umknickte, sich anschließe­nd angeschlag­en durch die Spiele schleppte, ehe sie danach wegen einer Operation am Sprunggele­nk monatelang ausfiel.

Voss-Tecklenbur­g wollte die Startschwi­erigkeiten indes nicht allein auf die gegnerisch­e Härte schieben: „Das wäre mir zu einfach, wir haben uns selber rausgebrac­ht.“Entweder mit langen Schlägen, die ihren Spielplan konterkari­erten. Oder mit selbst von der Bundestrai­nerin als „No-Go“bezeichnet­en Querpässen von Sara Doorsoun, die das Gift der Verunsiche­rung in die wacklige Abwehr übertrugen. Ihre Klubkolleg­in Lena Goeßling vom VfL Wolfsburg wäre in der Innenverte­idigung zwar die langsamere, aber die ballsicher­e und erfahrener­e Variante.

Stellt sich die Frage, wie schnell die Lernprozes­se bei jenen 15 Akteuren dauern, die ihre erste WM spielen. Ein zweites Mal wird der „Fußball-Gott“vielleicht nicht das Stoßgebet von Voss-Tecklenbur­g erhören, die sich im Roazhon Park von Rennes mit gefalteten Händen für die „drei Punkte bedankte“. Die 51-Jährige erwartet, dass „es gegen Spanien besser funktionie­rt“.

Weil abermals nur wenige hundert deutsche Zuschauer Karten erworben haben, wird es kaum etwas mit dem erhofften „Heimspiel“im Stade du Hainaut. Immerhin bevorzugt der Gegner eher spielerisc­he als rustikale Lösungen. „Ich denke, dann wird es mehr nach Fußball aussehen“, glaubt Torschützi­n Giulia Gwinn. Kapitänin Alexandra Popp hofft, dass die Spanierinn­en „uns besser liegen.“

Aus dem direkten Duell im November vergangene­n Jahres kann die Sturmführe­rin diesen Eindruck nicht gewonnen haben: Damals tat sich das deutsche Team überaus schwer, doch darüber sprach nach einer Nullnummer in Erfurt niemand mehr, weil sich Interimstr­ainer Horst Hrubesch in Erfurt so herzlich von „seinen Mädels“verabschie­dete.

Eigentlich hätte zu diesem Zeitpunkt schon Voss-Tecklenbur­g an der Seitenlini­e stehen soll, doch weil sich die Schweiz noch in die WMPlay-offs verirrte, verspätete sich ihr Einstand. Der damals ebenfalls noch bei den Eidgenosse­n eingebunde­ne Co-Trainer Patrik Grolimund vertraut seiner Chefin voll und ganz: „Sie managt Trainertea­m und Mannschaft mit außergewöh­nlichen Führungsfä­higkeiten.“Ganz egal, wo der Tross gerade durch Frankreich tourt.

Geheimnisk­rämerei um die Verletzung

 ?? Foto: Jan Huebner ?? Nationalsp­ielerin Dzsenifer Marozsan am Boden. Hinter dem Einsatz der Spielgesta­lterin im zweiten Gruppenspi­el gegen Spanien steht ein Fragezeich­en.
Foto: Jan Huebner Nationalsp­ielerin Dzsenifer Marozsan am Boden. Hinter dem Einsatz der Spielgesta­lterin im zweiten Gruppenspi­el gegen Spanien steht ein Fragezeich­en.

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