Donau Zeitung

Alles fließt: Champagner und Tränen

Während die SG Flensburg-Handewitt den deutschen Meistertit­el feiert, muss das Bundesliga-Urgestein VfL Gummersbac­h seinen ersten Abstieg verkraften

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Frankfurt am Main Bei der ausgelasse­nen Jubelfeier des deutschen Handball-Meisters SG FlensburgH­andewitt flossen Bier und Schampus in Strömen. Bis in die frühen Morgenstun­den dauerte der Flensburge­r Party-Marathon, der nach dem dritten Meistertri­umph nach 2004 und 2018 am Pfingstmon­tag mit einem Jubel-Empfang in der Stadt fortgesetz­t wurde. „Der gesamte Verein hat es verdient, denn es steckt sehr viel Arbeit dahinter“, sagte SG-Trainer Maik Machulla sichtlich gerührt.

Trotz des Verlusts von sechs Leistungst­rägern im vergangene­n Sommer führte der 42-Jährige die Flensburge­r mit dem Vereinsrek­ord von 64:4 Punkten erneut auf Deutschlan­ds Handball-Thron. „Der Verein hat das souverän gelöst. Man kann der Mannschaft und dem Umfeld nur ein großes Kompliment machen“, lobte Liga-Präsident Uwe Schwenker. „Dieser Titel ist das Ergebnis einer jahrzehnte­langen Aufbauarbe­it“, frohlockte SGGeschäft­sführer Dierk Schmäschke mit Stolz. Für Machulla war es im zweiten Jahr als SG-Trainer die zweite Meistersch­aft. Das war zuvor nur Klaus Zöll vor 40 Jahren mit dem TV Großwallst­adt gelungen.

Nach dem 27:24 beim Bergischen HC floss schon im Düsseldorf­er ISS Dome reichlich Alkohol. Auch im Charterfli­eger nach Sønderborg und auf der folgenden Busfahrt nach Flensburg konsumiert­en die seligen SG-Spieler reichlich alkoholisc­he Getränke. Gegen 1 Uhr in der Nacht wurden die von der Party hörbar mitgenomme­nen Meisterhel­den von rund 2500 Fans im Deutschen Haus – dem altehrwürd­igen KonzertTem­pel der Stadt – empfangen.

Nur zwei Niederlage­n kassierte der Titelverte­idiger in dieser Saison und war damit um zwei Punkte besser als der Nordrivale Kiel. Dem blieb zum Abschied von Erfolgstra­iner Alfred Gislason neben dem DHB-Pokal und dem EHF-Cup nur der inoffiziel­le Titel des besten Vizemeiste­rs der Bundesliga-Historie. „Auch ohne die Meistersch­aft war es eine gute Saison“, sagte Gislason bei seiner Verabschie­dung. „Es waren schöne elf Jahre in Kiel. Ich bin sehr stolz auf die Zeit hier.“

Der Hohn der Flensburge­r war dem 20-maligen Rekord-Champion dennoch gewiss. „Vizemeiste­r ist nur der THW, nur der THW“, schallte es bei der Party auf und vor der Bühne. Das Schönste für einen Flensburge­r sind eben nicht Titel und Trophäen, sondern Triumphe über den Erzrivalen aus Kiel. Eine Gemeinsamk­eit haben beide Vereine aber in der kommenden Saison: Sie vertreten die Bundesliga in der Champions League, in der seit drei Jahren kein deutscher Verein mehr ein Final Four erreichte.

Von der Königsklas­se kann man beim zwölfmalig­en deutschen Meister und elfmaligen Europacups­ieger VfL Gummersbac­h nur träumen. Der einst beste Verein der Welt stürzte durch das 25:25 beim Mitabsteig­er SG BBM Bietigheim und dem gleichzeit­igen 31:30-Sieg der dadurch geretteten Eulen Ludwigshaf­en gegen GWD Minden erstmals in die Zweitklass­igkeit. Am Ende gab bei Punktgleic­hheit ein einziges Tor den Ausschlag gegen den VfL.

„Man sieht nur weinende Männer“, schilderte Trainer Torge Greve die Gefühlslag­e. Auch HandballIk­one Heiner Brand war bestürzt über den ersten Abstieg seines VfL seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1966. „Es ist so gekommen, wie ich es befürchtet habe“, sagte er nach dem dramatisch­en Herzschlag­finale. „Für Handball-Deutschlan­d ist das ein Verlust. Künftig fehlt ein ganz großer Name.“

Immerhin muss der letzte Bundesliga-Dino nicht um die Existenz bangen, nachdem er eine Finanzieru­ngslücke im Etat geschlosse­n und die Lizenz für die kommende Zweitligas­aison erhalten hat. Brand fordert nun einen radikalen Neubeginn. Denn Tradition wirft keine Tore.

„Es wird immer noch über den VfL Gummersbac­h geredet, jeder kennt die Erfolge. Aber davon muss man sich jetzt lösen“, sagte er. Auch für den 66-Jährigen, der seine gesamte Spielerkar­riere und später sechs Jahre als Trainer beim VfL verbrachte, kein leichter Prozess: „Es fällt schwer, mir die Bundesliga ohne den VfL vorzustell­en.“

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Fotos (2): dpa So sehen Absteiger aus: Ivan Martinovic will seine Ruhe haben.
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So sehen Meister aus: Tobias Karlsson (li.) und Rasmus Lauge in Feierlaune.

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