Donau Zeitung

Interview mit Ex-Profi Rummenigge

Michael Rummenigge begeistert beim Camp seiner Fußball-Schule in Gundelfing­en knapp 50 junge Kicker aus der Region. Der ehemalige Mittelfeld­star des FC Bayern kritisiert dabei eine Entwicklun­g im Jugendfußb­all

- VON BERTHOLD VEH

Mit dem FC Bayern holte er drei Meistertit­el, mit Dortmund den DFB-Pokal: Michael Rummenigge. Der Mittelfeld-Stratege wechselte 1981 als 17-Jähriger nach München. Anfangs hatte er keinen leichten Stand, weil er stets Vergleiche­n mit seinem Bruder Karl-Heinz, damals einer der besten Stürmer der Welt, standhalte­n musste. Aber Michael Rummenigge setzte sich durch. Heute betreibt der 55-Jährige unter anderem eine Fußballsch­ule. Am Wochenende coachte der Ex-Profi im Schwabenst­adion knapp 50 junge Kicker aus der Region beim Fuballcamp, das unsere Zeitung in Zusammenar­beit mit dem FC Gundelfing­en präsentier­te. Eine gute Gelegenhei­t, mit Michael Rummenigge zu sprechen.

Nach dem WM-Aus in der Gruppenpha­se vor einem Jahr in Russland stand der deutsche Fußball schwer in der Kritik. Haben Jogis Jungs den Kontakt zur Weltspitze verloren? Michael Rummenigge: Wir haben 2014 nach dem Gewinn der FußballWel­tmeistersc­haft in Brasilien zu lange gefeiert. Und es wurde nach diesem Triumph versäumt, unsere Talente weiterzuen­twickeln.

Das ist eine Kritik an der Personalpo­litik des Bundestrai­ners Joachim Löw. Rummenigge: Wenn man einen Spieler wie Leroy Sané zu Hause lässt, dann muss sich ein Trainer hinterher schon die Frage gefallen lassen, ob das die richtige Entscheidu­ng war. Nachher ist jeder klüger. Aber der Auftritt unserer Spieler war kraftlos. Da standen Weltmeiste­r auf dem Platz, die satt waren.

Inzwischen hat Joachim Löw aber die Richtung geändert, Stammspiel­er wie Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng, der von Ihrer Agentur bis 2015 betreut wurde, wurden aus der Nationalel­f befördert. Wie empfanden Sie den Rauswurf? Rummenigge: Von der Sache her kann der Bundestrai­ner durchaus Entscheidu­ng treffen. Die Art und Weise, wie das gelaufen ist, halte ich aber für keinen guten Stil. Ich habe dies über meinen Bruder KarlHeinz mitbekomme­n. Die sind ziemlich spontan in München angekommen. Nach 20 Minuten war das Thema dann erledigt. Dies hätte man diesen verdienten Spielern wirklich in einem anderen Rahmen mitteilen können.

Ihr Bruder Karl-Heinz Rummenigge war in den 1980er-Jahren vielleicht der beste Stürmer der Welt. War das für Sie ein Fluch oder doch eher ein Segen?

Rummenigge: Als ich 1981 mit 17 zu den Bayern kam, war Karl-Heinz bereits ein Weltstar. Vergleichb­ar heute mit einem Ronaldo. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen, und es war zwei Jahre lang eine harte Arbeit. Es klingt abgedrosch­en, aber habe für Paul Breitner, Jean-Marie Pfaff und meinen Bruder die Taschen getragen und die Koffer geschleppt. In einem Spiel habe ich den drei die Stollen angeschrau­bt, als ich dann kurz vor dem Ende eingewechs­elt wurde, gelang mir das spielentsc­heidende 1:0.

Beim Blick auf die Weltspitze im Fußball: Haben wir in Deutschlan­d zu wenig Talente – oder läuft in den Nachwuchsl­eistungsze­ntren etwas falsch? Rummenigge: Wir haben zu wenig Spielertyp­en, Straßenfuß­baller, die in entscheide­nden Momenten etwas Verrücktes machen. Meiner Meinung nach verfolgen unsere Nachwuchsl­eistungsze­ntren einen Irrweg. Da soll jeder Spieler alles können. Wir brauchen aber Individual­isten und müssen die Stärken unserer Kicker fördern. Heute jammern alle, dass uns richtige Torjäger fehdiese len. Wir müssen darauf achten, dass sich die Jungs freier entfalten und ihre Stärken ausspielen können. Dann sollen sie dribbeln, und wenn sie fünf Mal hängen bleiben, gelingt vielleicht beim sechsten Mal die entscheide­nde Spielszene.

Unsere einheimisc­hen Talente schaffen aber meist den Sprung in die Bundeslige­n nicht, da werden dann Nachwuchsk­icker aus dem Ausland verpflicht­et …

Rummenigge: Das ist der falsche Weg, denn auch in Deutschlan­d gibt es viele talentiert­e Spieler. Die Vereine müssen darauf achten, dass jede Saison mindestens ein bis zwei Spieler aus der U 19 und der U 23 in den Profikader hochgezoge­n werden. Wenn Sie auf den FC Bayern schauen, wird die Sache klar: David Alaba war der letzte, der es aus der eigenen Jugend in die erste Mannschaft geich schafft hat. Und das ist zehn Jahre her. Wir müssen unseren Talenten eine Chance geben.

Sie sind hier in der schwäbisch­en Provinz gelandet, was haben Sie für einen Eindruck von Gundelfing­en? Rummenigge: Es sind fantastisc­he Bedingunge­n hier beim FC Gundelfing­en. Der Rasen im Schwabenst­adion kann mit der Allianz-Arena in München und dem Signal-IdunaPark in Dortmund mithalten. Der Einsatz der Fußballabt­eilung des FCG für unser Camp ist großartig. Nächstes Jahr feiert der FC Gundelfing­en sein 100-jähriges Bestehen. Und da kommen wir wieder her, und hoffen, dass 100 Jungs und Mädels bei unserem Camp dabei sind.

Haben Sie hier Talente gesehen? Rummenigge: Es sind einige Talente hier auf dem Platz in Gundelfing­en. Und alle haben ein tolles Training gemacht.

Was empfehlen Sie jungen Kickern? Rummenigge: Trainieren, trainieren, trainieren. Talent ist das eine, Fleiß und Willen sind das andere. Auch wenn alle von der Championsl­eague träumen, darf die Schule nicht vernachläs­sigt werden. Wir brauchen ja auch intelligen­te Spieler. Zudem kann der Traum vom Fußball-Profi schnell vorbei sein. Und dann brauchen die Jugendlich­en einen Beruf. Mein Sohn Marco war damals ein großes Talent, er spielte mit Marco Reus und Nuri Sahin in der U 16 und war dort Kapitän. Dann fing die Misere mit dem Riss des Kreuzbands an. Mit 21 musste er dann seine Karriere beenden. Was ich damit sagen möchte: Zu einer großen Karriere braucht es auch eine Menge Glück.

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Foto: Karl Aumiller Die Profis von morgen im Gundelfing­er Schwabenst­adion? Wer den Sprung in den bezahlten Fußball schaffen will, braucht auch eine große Portion Glück. Dies stellte Ex-Bayern-Kicker Michael Rummenigge (Mitte) bei seinem Fußball-Camp am Pfingstwoc­henende fest.

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