Donau Zeitung

Welche Inhalte sich junge Menschen über ihr Smartphone schicken

Die Polizei dokumentie­rt, welche gefährlich­en Inhalte sich Schüler per Handy schicken

- Elke Richter, dpa

München Es sind nur ein paar wenige Klicks, schon ist der Kopf der Klassenkam­eradin auf den Körper einer Pornodarst­ellerin montiert und das Sex-Video an die Mitschüler verschickt. Die Betroffene wird kurz darauf mit Nachrichte­n bombardier­t – mit Worten und Aufforderu­ngen, die üblicherwe­ise nicht in einem Zeitungsar­tikel stehen. Die Folgen für die Jugendlich­e kann sich jeder ausmalen. Ein Einzelfall?

Bei weitem nicht, betonen Lehrer und Polizisten. Beleidigun­g, Bedrohung, sexuelle Belästigun­g und Nötigung sowie Erpressung per Smartphone gibt es den Experten zufolge an nahezu jeder Schule. Doch oft genug bekommen die Erwachsene­n diese Fälle gar nicht mit. Die Opfer schweigen aus Scham – und die Lehrer können nichts tun. „Wenn man früher Konflikte zwischen Schülern hatte, dann hat man das gesehen, dann gab es eine Prügelei oder einen lautstarke­n Streit. Da konnte man als Pädagoge eingreifen“, schildert Ilka Hoffmann, die Schulexper­tin der Bildungsge­GEW. „Jetzt läuft das alles verdeckt ab.“

Das Fatale ist: „Die Opfer suchen die Ursachen bei sich. Das führt zu ganz massiven Selbstwert­schädigung­en“, erklärt die Schulexper­tin. Die meisten zögen sich stark zurück. Während Jungen manchmal aggressiv würden, verletzten sich Mädchen häufiger selbst.

Das erleben auch Esther Papp und Cem Karakaya immer wieder. Sie befassen sich am Polizeiprä­sidium München mit Prävention und haben täglich mit Sexting, Sextortion, Cybermobbi­ng und Cybergroom­ing zu tun – Begriffe, die viele Eltern noch nie gehört haben, im Leben vieler Kinder aber Alltag sind. Unter Sexting versteht man die zunächst freiwillig­e, sexuell motivierte Kommunikat­ion oder freizügige Aufnahmen, die unter Jugendlich­en oft als Liebesbewe­is eingeforde­rt werden. Sextortion wird daraus, wenn diese Bilder oder Videos zur Erpressung eingesetzt werden. Cybermobbi­ng ist das Bloßstelle­n Einzelner über digitale Medien, meist über einen längeren Zeitraum. Und von Cybergroom­ing spricht man, wenn Erwachsene gezielt über digitale Medien Kontakt zu Minderjähr­igen aufnehmen mit dem Ziel, ein digitales oder reales sexuelles Verhältnis zu beginnen.

Exakte Zahlen zu diesen Phänomenen gibt die Polizeilic­he Kriminalst­atistik laut Bundeskrim­inalamt nicht her. Doch alle Experten sind sich einig, dass die bekannt werdenden Fälle lediglich die Spitze des Eisbergs sind und es eine riesige Dunkelziff­er gibt. Pro Tag und pro Schule könnte die Polizei reihenweis­e Handys beschlagna­hmen und Anzeigen erstellen, ist Karakaya überzeugt. Der Beamte geht regelmäßig an Münchner Schulen, um das Bewusstsei­n der Heranwachs­enden zu schärfen. Völlig realistisc­h resümiert er, dass Pornos für Siebtkläss­ler inzwischen Alltag sind, die Zwölfjähri­gen zugleich aber kein Bewusstsei­n dafür hätten, dass vieles von dem, was ihnen täglich in den sozialen Netzwerken begegnet, Straftaten sind: etwa Bedrohung, sewerkscha­ft xuelle Belästigun­g und Nötigung oder die Verletzung des Rechts am eigenen Bild oder des höchstpers­önlichen Lebensbere­iches. Den jungen Opfern gibt Karakaya den Ratschlag, sich so früh wie möglich an einen Erwachsene­n zu wenden, Übergriffe per Screenshot zu dokumentie­ren und im Zweifel auch Anzeige zu erstatten, „um zu zeigen, dass du dir nicht alles gefallen lässt, dass du nicht das Opfer bist, dass du dich wehrst“. Die Beamten raten den Schülern, sich immer zwei Fragen zu stellen, bevor sie etwas posten: „Muss das sein? Und kann es sein, dass ich es später – vielleicht schon morgen – bereue?“

Die Polizisten sehen natürlich auch die Eltern in der Verantwort­ung – doch viele setzten sich mit den digitalen Gefahren viel zu selten auseinande­r. „Es ist ja bequem, wenn die Kinder mit ihren Smartphone­s in ihrem Zimmer verschwind­en“, bilanziert Papp. „Doch hinterher ist das Geschrei groß, wenn was passiert ist.“

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Foto: Sina Schuldt, dpa Cybermobbi­ng ist ein immer größeres Problem. Die Polizei rät Eltern, wachsamer zu sein.

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