Angst in Manhattan
Als Meldungen über einen in Manhattan abgestürzten Helikopter auftauchen, fühlen sich viele an den schrecklichsten Tag ihres Lebens erinnert – an den 11. September 2001
Die Meldungen über einen abgestürzten Helikopter weckten bei vielen New Yorkern schreckliche Erinnerungen.
New York Nathan Hutton ist bei der Arbeit. Wie immer am Montag, wie immer seit sieben Uhr morgens. Dann aber ist nichts mehr wie immer. Um 13.30 Uhr erzittert das Hochhaus im Zentrum Manhattans, in dessen 29. Stockwerk sich Nathan Hutton befindet. „Es fühlte sich so an, als ob das ganze Gebäude sich bewegt. Wir dachten, es wäre etwas wie ein Erdbeben.“
Der 59-Jährige steht jetzt im Dauerregen wenige Meter neben dem Gebäude an der 7th Avenue in New York, aus dem er gerade geflohen ist. Hunderte haben sich hier versammelt. Sie sind in ein Meer aus Blaulichtern der Einsatzfahrzeuge getaucht und schauen hoch ins fade Grau des Himmels. Die tief hängenden Wolken verdecken den Blick auf das Dach des Hochhauses, auf das kurz zuvor ein Hubschrauber gestürzt war. „Wir haben den Aufprall gespürt“, sagt Hutton.
Die unbestätigten Meldungen, die am frühen Montagnachmittag durchs Internet rauschen, versetzen viele New Yorker für einen Augenblick zurück an jenen Tag, der sich ins kollektive Gedächtnis der Millionenstadt eingebrannt hat – dem Tag des Terrors am 11. September 2001. Damals ließen islamistische Selbstmordattentäter zwei Flugzeuge ins World Trade Center krachen. Die ersten Tweets am Montag berichten von einem Flugzeug oder einem Helikopter, der in ein Hochhaus gestürzt sei. Durch die Straßen Manhattans rasen Limousinen mit abgedunkelten Scheiben; die Sirenen der Feuerwehrautos und Rettungswagen lärmen.
Der Weg nach unten aus dem 29. Stockwerk des Bürogebäudes, von dem aus man den berühmten Times Square sehen kann, kommt Nathan Hutton wie ein Tunnel vor. „Du hast den Rauch gerochen“, erzählt er. Alle seien ungeduldig geworden, schneller gegangen. „Als wir in die Lobby kamen, sahen wir Feuerwehrleute und Polizisten.“Sie hätten geschrien: „Alle raus!“Da, so sagt es Hutton, bekam er Angst.
Zur selben Zeit brennt 54 Stockwerke über ihm, auf dem Dach des Gebäudes, das Wrack eines Hubschraubers. Einsatzkräfte finden eine Leiche. Späteren Ermittlungen zufolge handelt es sich um die des Piloten. Er flog seit fünf Jahren im Auftrag einer Immobilienfirma und galt als sehr erfahren. Polizeichef James O’Neill zufolge war der Hubschrauber nur elf Minuten vor dem harten Aufprall in der 34. Straße gestartet, nicht weit weg.
Was in diesen Minuten passierte, lässt die New Yorker Ermittler noch am Dienstag grübeln. „Es ist extrem merkwürdig“, sagt auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, der sich nach einer improvisierten Pressekonferenz im strömenden Regen CNN-Moderator Wolf Blitzer im Interview stellt. Derweil macht im Internet ein Video die Runde, auf dem ein völlig unberechenbar fliegender Hubschrauber zu sehen ist. De Blasio sagt, nach Erkenntnissen seiner Leute handele es sich um den Unglücks-Hubschrauber. „Es sah einfach nicht danach aus, dass es ein mechanisches Problem auf seiner Route gegeben hätte.“
Einen Terroranschlag schließt die Stadtregierung dennoch so gut wie aus. Möglich sei ein persönliches Problem des Piloten. Er wolle nicht spekulieren, sagt Präsidentschaftsbewerber de Blasio, tut es dann aber doch: „Es könnte etwas gewesen sein, was seine Psyche beeinflusste, oder, Sie wissen schon, Substanzen.“Sicher ist jedenfalls, dass der Pilot auf seiner fragwürdigen Route schließlich in Richtung Midtown Manhattan flog – das Zentrum der Stadt mit vielen Wolkenkratzern. Der Trump-Tower ist in der Nähe.
Jeder Flug über diesen Teil der Stadt braucht die Genehmigung des Flughafens La Guardia – die der Pilot offenbar nicht einholte. „Unter anderen Umständen hätte der Helikopter genau in der Mitte des Times Square herunterkommen können. Wer weiß, wie viele Menschen verloren gewesen wären“, sagt de Blasio. Und weiter: „In der Minute, in der ich es hörte – etwas trifft ein Gebäude – bist du sofort besorgt, dass es Terror ist“, sagt er. „Weil wir das alles durchgemacht haben. Wir fühlen all das tief und schmerzhaft vom 11. September. Aber nein, das war etwas ganz anderes.“