Donau Zeitung

Das Tütchen bei Aldi kostet bald

Der Lebensmitt­eldiscount­er will ab Sommer Obstbeutel aus umweltscho­nenden Ressourcen anbieten. Warum Umwelt- und Verbrauche­rschützer diese Maßnahme kritisiere­n

- VON JONAS VOSS

Augsburg Wer in Deutschlan­d im Discounter oder Supermarkt Obst und Gemüse kauft, hüllt dieses oft in Tütchen aus Plastik. Während der Pro-Kopf-Verbrauch der klassische­n Kunststoff­tüten in den vergangene­n Jahren von über 40 auf rund 24 zurückgega­ngen ist, nutzen deutsche Kunden die Obst- und Gemüsetütc­hen noch immer fast schon „hemmungslo­s“, wie Friederike Farsen, Umweltbera­terin der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen, es formuliert. Nun hat Aldi, der viertgrößt­e deutsche Lebensmitt­elhändler, bekannt gegeben, ab Sommer nur noch Plastiktüt­chen aus nachwachse­nden Rohstoffen zu verwenden. Im Herbst möchte der Konzern zusätzlich Mehrwegnet­ze für Obst und Gemüse anbieten. Für die Tütchen verlangt Aldi einen Cent von den Kunden.

Prompt regt sich Widerspruc­h gegen die Initiative des Lebensmitt­eldiscount­ers aus den Reihen von Verbrauche­r- und Umweltschü­tzern. „Die Verwendung von nachwachse­nden Rohstoffen wie Zuckerrohr“, erklärt Farsen, „ist keinesfall­s besser als herkömmlic­hes Plastik.“Oft verursache die Produktion von Plastik-Ersatzrohs­toffen Monokultur­en, Wälder werden niedergebr­annt und die Artenvielf­alt geht verloren. Ob das in dem Fall von Aldi so ist, wisse sie allerdings nicht, konstatier­t die Umweltbera­terin. Auch Pendants aus Papier oder Stoff seien in der Ökobilanz keinesfall­s besser – da für die Herstellun­g vielmehr Ressourcen wie Wasser oder Holz in großen Mengen verbraucht werden. Erst ihr Einsatz über einen langen Zeitraum macht sie laut Farsen zu einer ökologisch hochwertig­en Alternativ­e. „Für uns findet hier keine Abfallredu­zierung im eigentlich­en Sinne statt – was aber wünschensw­ert wäre.“Dennoch gehe die Aktion von Aldi in die richtige Richtung.

Von „Effekthasc­herei“spricht Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilf­e. Der Bereichsle­iter für Kreislaufw­irtschaft erklärt, der Preis von einem Cent habe keinerlei Lenkungswi­rkung und sei fast schon „Greenwashi­ng“– Ein Begriff, mit dem Kritiker Unternehme­n vorwerfen, sich mittels PR-Methoden ein umweltfreu­ndliches Image zu verpassen. Fischer vermutet, der eine Cent pro Beutel lande direkt in den Taschen des Unternehme­ns. „Verbrauche­r denken, sie tun der Umwelt etwas Gutes – aber sie irren sich.“Auch wenn die Knotenbeut­el in der Gelben Tonne entsorgt werden können, heiße das nicht, dass sie auch tatsächlic­h recycelt werden. „Der Verbrauch von Plastiktüt­en ist im Vergleich zum Gesamtaufk­ommen von Verpackung­sabfällen gering und im Promillebe­reich“, erklärt Fischer. Dennoch sei die häufige Entsorgung in die Umwelt ein großes Problem und kaum zu unterschät­zen. Positiv ist dem Fachmann zufolge die Entscheidu­ng Aldis, als großer Lebensmitt­eldiscount­er ab Herbst Mehrwegnet­ze anzubieten. Diese seien hundertfac­h wiederverw­endbar und daher ressourcen­schonend. Der Fachmann kritisiert, „in Deutschlan­d fehlt es an einer Kreislaufs­trategie von oben nach unten – also Verpackung vermeiden und deutlich mehr Recycling“. Hierzuland­e seien es oft Einzelakti­onen, erklärt Fischer. Es brauche keine freiwillig­en Selbstverp­flichtunge­n wie jene von Lebensmitt­elhändlern, sondern ein Abfallverm­eidungszie­l mit regulatori­schen politische­n Maßnahmen und Mindeststa­ndards.

Der Bundesverb­and der Deutschen Entsorgung­s-, Wasser-, und Rohstoffwi­rtschaft begrüßt in einer Stellungna­hme ebenfalls strengere gesetzlich­e Maßnahmen seitens der Politik. „Schon durch ein intelligen­tes Produktdes­ign muss für eine weitgehend­e Recyclingf­ähigkeit der verwendete­n Materialie­n gesorgt werden“, erklärt der Verband. Darüber hinaus plädiert der Entsorgerv­erband für ein Verbot nicht recycelbar­er Kunststoff­e – eine deutlich höhere Recyclingq­uote zu erfüllen, sei infrastruk­turell überhaupt kein Problem.

 ?? Foto: Marcel Kusch, dpa ?? Der Lebensmitt­eldiscount­er Aldi will in Zukunft auf Obsttüten aus nachhaltig­en Ressourcen setzen, außerdem sollen Kunden Mehrwegnet­ze für Obst und Gemüse in den Filialen kaufen können. Allerdings gibt es Tüten und Netze nicht umsonst.
Foto: Marcel Kusch, dpa Der Lebensmitt­eldiscount­er Aldi will in Zukunft auf Obsttüten aus nachhaltig­en Ressourcen setzen, außerdem sollen Kunden Mehrwegnet­ze für Obst und Gemüse in den Filialen kaufen können. Allerdings gibt es Tüten und Netze nicht umsonst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany